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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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würde erst dann völlig beruhigt sein, wenn sie die beiden gesehen hätte, sowohl Gryf als auch Jason. Es überraschte sie, daß sie derartiger Gefühle für zwei andere menschliche Wesen überhaupt fähig war. Ihr vergangenes Leben hatte nur aus Selbstgenügsamkeit und vollkommener Unabhängigkeit bestanden.
    Normalerweise hätte Gryf unten in der Gruppe der Gefangenen bei der Bohrausrüstung stehen müssen. Sie versuchte ihn dort auszumachen, doch die einzige Gestalt, die sie auf diese Entfernung erkennen konnte, war der Hauptmann der Wachmannschaft, den jeder – wenn er außer Hörweite war – die Echse nannte, da sein glattrasiertes Gesicht und der kahle Schädel ihm ein abstoßendes, reptilienhaftes Aussehen verliehen. Er stand abseits allein und gab Anweisungen an die Gefangenen. Gekleidet war er ganz in Schwarz, trotz der herrschenden Hitze, ein Zeichen seiner gehobenen Stellung, seiner Macht über jeden anderen im Lager. Doch trotz alledem war er nur deshalb so genau zu erkennen, weil er außerhalb der Menge stand. Gryf wäre auch in einer größeren Menge aufgefallen, doch das Ausrüstungslager war zu weit entfernt, um selbst Gryfs sonderbare Ebenholzfarbe und die schreienden Farben seiner Kleidung wahrzunehmen. Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, an seinem ersten Tag hier in Brückenkopf, hatte sie ihn so lange angestarrt, bis es ihm aufgefallen war und er zu ihr herübergelacht hatte. Kein spöttisches Lachen, mehr ein verstehendes. Gryf lachte auch oft über sich selbst, am meisten aber über die Leute, die ihn zu dem machten, was er war.
    Gryf war der erste tetraparentale Mensch, den Kylis jemals gesehen hatte, und selbst unter Tetras war er ungewöhnlich. Von seinen vier biologischen Elternteilen waren zwei dunkelhäutig und zwei hell gewesen. Man hatte geplant, ihm eine hellbraune Farbe zu geben, nur sein Haar sollte, vielleicht, andersfarben sein. Aber die für die Farbe verantwortlichen Gene verschmolzen weniger gut als die für die Gestalt. Und die Spermakomponenten waren falsch mit dem Ovum vereinigt worden, wodurch die Vereinigung der beiden Embryos, die Gryf bildeten, ihm sein sonderbares Aussehen verlieh. Doch trotz allem besaß er die selektierten intellektuellen Fähigkeiten seiner verschiedenen Eltern. Diese Eigenschaften, nicht sein Körper, waren wichtig.
    Die neuen Tetraparentalen waren ungewöhnlich, und ihr Leben war minutiös vorgeplant. Gryf war Teil eines Teams, und für die Regierung von Redsun war es unbegreiflich, wie er, nach all der Arbeit, die seine Züchtung gekostet hatte, nach allem Training den Gehorsam verweigern konnte. Nachdem er das getan hatte, war er zur Strafe in Rotsonnes unbarmherzigstes Straflager eingeliefert worden. Sollte er seine Meinung ändern, so könnte er durch ein Wort wieder in die Abgeschiedenheit seines Tetra-Heimes zurückkehren. Seit einem halben Jahr befand er sich nun im Lager, und bisher hatte er dieses Wort nicht ausgesprochen.
    Kylis war nicht auf Rotsonne geboren, sie verstand die Furcht der anderen vor Gryf nicht. Sie war fasziniert von ihm. Er war wunderschön, woran auch das Muster seiner Haut nichts ändern konnte. Kylis fragte sich, wie sein Haar, halb schwarz und störrisch, halb blond und seidig glatt, sich wohl anfühlen würde.
    Man hatte ihn in eine andere Abteilung versetzt, wie Kylis jetzt erkannte. Sie wußte plötzlich, daß man ihm die schmutzigsten und härtesten Arbeiten gegeben hatte, nicht die gefährlichsten, aber die ermüdendsten. Aufgabe der Wachen war es nicht, ihn zu töten, doch sollten sie ihm das Leben so schwer machen, daß er bereit war, zu den Tetras zurückzukehren.
    Kylis sprach ihn nicht an, weil sie keine disziplinarische Maßnahme für einen von beiden provozieren wollte. Wenn man sehr genau hinsah, bemerkte man, daß die Echse Gryf verstohlen beobachtete, in seiner heimlichen Weise, die schweren Lider halb geschlossen, so daß die genaue Richtung seines Blicks unmöglich festzustellen war. Aber vielleicht riefen ihn seine Pflichten bald in einen anderen Teil des Lagers; dann konnte Kylis ihre eigene Arbeit verlassen, um Gryf einige Tricks, die die Erfahrung sie gelehrt hatte, beizubringen, die ihm seine Lage etwas erleichtern würden. Ihre erste gemeinsam verbrachte Nacht war Gryfs erste in Brückenkopf gewesen. Beim Ende der Schicht war es nur natürlich, gemeinsam zu den Zelten zu gehen. Sie waren zu müde, um viel mehr zu tun als zu schlafen, doch ihr Zusammensein machte alles ein wenig leichter,

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