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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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und das Potential für mehr war vorhanden. Gesicht an Gesicht lagen sie in der Dunkelheit. Kurze Zeit brachen die Wolken auf, und das Licht der Sterne spiegelte sich in seinem blonden Haar.
    „Ich komme nie mehr hier raus“, sagte Gryf. Er verlangte nicht nach Sympathie oder Mitleid, doch er schilderte ihr seine Zukunft so gut er dies vermochte. Seine Stimme war angenehm musikalisch. Kylis erkannte, daß dies die ersten Worte waren, die sie ihn sprechen hörte. Dann erinnerte sie sich, wie er sich für ihren Rat bedankt hatte, doch der Dank hatte aus einem Lächeln, einem Nicken und einem Blick in ihre Augen bestanden.
    „Und ich bin für eine lange Zeit hier“, entgegnete Kylis. „Ich glaube, das kommt auf das gleiche hinaus.“ Brückenkopf konnte jeden von ihnen schon am nächsten Tag umbringen – oder auch erst am Tag vor der Entlassung.
    Kylis berührte Gryfs Haar. Es war störrisch und schweißverklebt. Er nahm ihre Hand und küßte ihre Handflächen. Von da an verbrachten sie jede freie Minute zusammen, sprachen aber niemals von einem Leben außerhalb des Arbeitslagers.
    Wenige Wochen später war Jason gekommen, und das hatte alles verändert.
    Kylis’ Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Sie wußte, er war irgendwo dort unten, auch wenn sie ihn in der schmutzigen weißen Menge nicht ausmachen konnte. Sie war mehrere Wochen lang in der letzten Schicht gewesen, und kannte den Zeitplan. Die Gefangenen, die von der Arbeit kamen, würden heute keinen weiteren Gefahren mehr ausgesetzt werden. Statt dessen würden sie den stumpfsinnigsten und anstrengendsten Job der Periode erhalten. Während der letzten Schicht vor dem freien Tag, dem einzigen innerhalb von vierzig Tagen, wurde die gesamte Ausrüstung gereinigt und inspiziert. Alles, was nicht in Ordnung war, mußte nachgereinigt werden, was die Schicht weit über das normale Ende hinaus ausdehnen konnte. Kylis hoffte, daß dies heute nicht der Fall sein würde.
    Oben an der Böschung tauchte Jason vom Maschinenraum her auf. Er war schmutzig und mit Fett verschmiert, goldfleckig allein durch sein ausgebleichtes Haar. Er war sehr groß und sehr blaß, und selbst hier auf Rotsonne, wo der Anteil an ultraviolettem Licht nur gering war, litt er rasch unter Sonnenbrand. Da er von Sonnenuntergang bis weit in den Morgen hinein gearbeitet hatte, bedeckte die verbrannte Haut in horizontalen Streifen seine Beine, am stärksten an den Oberschenkeln, am schwächsten dicht unterhalb der Knie, womit die verschiedenen Höhen, zu denen er die Stulpen seiner Stiefel hochgezogen hatte, markiert wurden. Im Moment waren sie ganz nach unten gekrempelt.
    Er sah auf und erkannte Kylis. Seine Haltung veränderte sich, er straffte sich und winkte. Sein blonder Bart war verfilzt und ungekämmt, und sein Haar klebte in verschwitzten Strähnen an ihm. Der Bund seiner kurzen Hosen und auch sein Körper waren mit rotem Schmutz befleckt, den Regen und Schweiß verwischt hatten. Als er näherkam, sah sie, daß er abgemagert war, die Ränder unter seinen Augen waren tiefer. Einst waren sie Zeugen seines Humors gewesen, nun zeigten sie seine Müdigkeit und Erschöpfung an. Er eilte auf sie zu, unsicher im Lehm schlitternd, und sie erkannte, daß auch er sich Sorgen gemacht hatte.
    Er hat erfahren, daß ich in Sensorischer Entziehung war, dachte sie, und hat sich um mich geängstigt. Ein paar Sekunden lang stand sie bewegungslos. Sie war noch nicht vollständig von ihm eingenommen, doch sein einfaches Akzeptieren ihrer Person und sein Verständnis waren bewunderungswürdig, verglichen mit dem hartnäckigen Mißtrauen, das Kylis ihm so lange Zeit entgegengebracht hatte. Auf halbem Weg kam sie ihm entgegen.
    Schließlich blieb er stehen und reichte ihr die Hand. Sie erwiderte die Berührung, und leicht zitternd kam er ihr entgegen; trotz seiner Erschöpfung hielt er seine gerade Haltung aufrecht. Doch dann zerbrach seine Maske. Zusammensackend barg er seine Stirn an ihrer Schulter. Sehr sanft legte sie ihm eine Hand auf den Rücken.
    „War es schlimm?“ Seine Stimme, normalerweise leise und angenehm, klang nun rauh und heiser. Man hörte ihr an, daß er seit achtzehn Stunden den Lärm der großen Maschinen hatte übertönen müssen, um seinen Leuten Anweisungen zu geben.
    „Schlimm genug“, entgegnete Kylis. „Seit damals bin ich glücklich über meine Arbeit.“
    Noch immer eng an sie geschmiegt, schüttelte er den Kopf.
    „Aber ich bin wieder in Ordnung. Ich bin die

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