Feuerflut
der Gefangenen zu trennen oder um die technischen Anlagen zu schützen. Und selbst wenn Jason die Flucht gelingen sollte, so würde es ihm niemals gelingen, Rotsonne zu verlassen. Er besaß nicht Kylis’ Erfahrung im illegalen Reisen an Bord von Sternenschiffen.
Die dunklen Schatten des Farnwaldes hüllten sie ein, während sie zwischen schwarzroten Stämmen und herabhängenden Farnwedeln dahinliefen. Die Blätter beugten sich schwer unter der Last großer Tropfen, die sich rasch im dauernden Regen bildeten. Kylis berührte eines der Blätter, und das Wasser platschte auf sie herab und verschmierte die Asche und den feinen Staub, der ihren Körper bedeckte. Sie hatte sich gewaschen, nachdem ihre Schicht zu Ende war, doch es war unmöglich, hier in Brückenkopf lange sauber zu bleiben.
Sie erreichten den Schlafplatz, den sie entdeckt hatte. Einige Farnwedel waren in enger Nachbarschaft herangewachsen und dann abgestorben, die Stämme waren gegeneinandergestürzt und hatten ein konisches Zelt gebildet. Kylis schob eine Handvoll Zweige auseinander und zeigte Jason das Innere. Von außen sah man nur abgestorbene Pflanzen.
„Es ist nicht mal feucht“, sagte er überrascht. „Und es ist kühl drinnen.“
Er setzte sich auf den dichten Moosteppich und lehnte sich lachend zurück. „Ich weiß nicht, wie du das gefunden hast. Ich hätte niemals hier hineingeschaut.“
Kylis saß neben ihm. Vor einigen Stunden hatte sie hier noch im erholsamen Schlaf gelegen, den sie in Brückenkopf kennengelernt hatte. Der Schatten machte die Hitze erträglich, und das dichte Blattwerk verhinderte das Eindringen der Feuchtigkeit. Und das beste war – es war ruhig.
„Ich dachte, dir und Gryf würde es gefallen.“
„Hast du ihn gesehen?“
„Nur in der Menge. Er schien in Ordnung zu sein.“
Jason kleidete Kylis’ Verdacht in Worte: „Die Echse muß einen Grund gehabt haben, daß er ihn meine Schicht übernehmen ließ. Wahrscheinlich, um ihm das Leben noch schwerer zu machen.“ Auch er war beunruhigt, und Kylis konnte sehen, daß er sich schuldig fühlte. „Ich hätte das nicht zulassen dürfen“, sagte er.
„Hast du schon jemals versucht, ihn von etwas abzubringen, das er sich in den Kopf gesetzt hat?“
Jason lächelte. „Nein, ich glaube auch nicht, daß ich das versuchen würde.“ Er ließ sich weiter hinab in das weiche Moos sinken. „Ihr Götter!“ seufzte er und dehnte die Wörter. „Es tut gut, dich zu sehen.“
„Es war einsam“, sagte Kylis, noch immer mit dem heimlichen Erstaunen darüber, daß sie fähig war, jemanden zu vermissen. Einsamkeit war sehr schmerzhaft, doch sie war nicht einsam. Sie wußte nicht, wie sie über die neuentdeckte Freude an der Gegenwart von Gryf und Jason denken sollte. Manchmal fürchtete sie sich. Sie hatten ihre Barrieren der Einsamkeit und Unnahbarkeit durchbrochen, und manchmal fühlte sie sich schutzlos und verwundbar. Sie vertraute ihnen, doch hier in Brückenkopf gab es mehr Verräter als irgendwo draußen.
„Ich habe dir diese Extrarationen nicht gegeben, damit du sie zu deinem Vorrat legen sollst, sondern damit du dich einmal richtig satt essen kannst“, sagte sie schließlich.
„Wir können alle hier herauskommen“, entgegnete er, „wenn wir nur etwas mehr Verpflegung horten.“ Selbst am hellen Morgen war es hier unter den Farnen unmöglich, seine Züge zu erkennen, doch Kylis wußte, daß er nicht scherzte. Sie sagte nichts. Jason glaubte, daß die Gefangenen, die in den Sumpf flohen, noch immer am Leben seien, er glaubte, er könne zu ihnen stoßen, und sie würden ihm helfen. Doch Kylis glaubte, daß sie alle längst tot waren. Jason war der Ansicht, eine Flucht zu Fuß wäre möglich, doch nach Kylis’ Meinung mußte ein solches Unternehmen in den Tod führen. Jason war ein Optimist, Kylis besaß Erfahrung.
„Also gut“, sagte Jason. „Ich esse noch einen Riegel. Nachher.“ Er legte sich flach hin und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Wie war deine Schicht?“ fragte Kylis.
„Zu viel frisches Fleisch.“
Kylis grinste. Jason sprach hart und verächtlich wie ein Veteran von den neuen Gefangenen, dem „frischen“ Fleisch, Menschen, die sich noch nicht an die gnadenlose Atmosphäre von Brückenkopf gewöhnt hatten.
„Zu uns kam nur ein kleiner Teil der Neuen“, sagte sie. „Du mußt den größten Teil bekommen haben.“
„Es wäre akzeptabel gewesen, wenn man nicht drei von ihnen zum Bohrloch abkommandiert hätte.“
„Hast
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