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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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ausgewichen …
    In wenigen Augenblicken wird mein Leben enden. Wenn ich tot bin, wird mein Volk vielleicht noch für kurze Zeit sicher sein – und doch, ich will leben. Ich muß mein Leben hingeben, aber ich werde es nicht glücklich tun, nicht einmal tapfer. Die Netze werden sich um mich legen, und Panik wird mich überfallen, und ich werde mich umherwerfen und mich sträuben und lautlos schreien, während Taue und Drähte in mich hineinschneiden.
    Die Netze sind jetzt direkt vor mir. Ich berühre sie, und die harten Maschen scharren über meine Haut.
    Plötzlich wird mein Körper weggerissen, er schwenkt ab, zu schnell, das Signal ist wie ein Krampf. Ohne es zu wollen, tauche ich ab und wende mich um, ich umrunde das Schiff und die Netze und fliehe.
    Wie können die Menschen so genau wissen, was hier, weit draußen im Ozean, vorgeht? Können sie denn wissen, wo jedes einzelne Schiff ist und wo jedes einzelne Lebewesen schwimmt?
    Mit kraftvollen, unfreiwilligen Schlägen meines Schwanzes bewege ich mich vorwärts. Ich habe Angst, mir einzugestehen, wie weit die Menschen mich in ihrer Kontrolle haben, und zugleich bin ich doch erleichtert, daß mir jetzt noch ein paar Minuten mehr bleiben.
    Aber in mir ist keine Freude mehr. Die Menschen haben mir ein furchtbares Geschenk gemacht, das mit dem Leben meiner Leute bezahlt werden wird. Selbst wenn die Menschen nicht anfangen, einander und die ganze Welt zu töten, weil ich tue, was ich tue, so wird man doch den Luftatmern im Meer noch mehr Mißtrauen entgegenbringen, wenn ich meine Aufgabe zu Ende bringe. Schon jetzt töten uns die Unterwassermaschinen, wenn wir zu nahe kommen. Wir haben gelernt, ihnen aus dem Weg zu gehen, aber wir können nicht jeder Maschine der Menschen aus dem Weg gehen. Es sind zu viele, und unsere törichten Jungen finden Vergnügen und Tod zugleich, wenn sie auf ihren Bugwellen reiten.
    Der Geschmack von Land wird jetzt stärker, und das Wasser ist viel seichter. Die metallischen Geräusche, die mich leiten, werfen laute, schnelle Echos. Das Wasser ist dick vom Müll der Menschen und ihrer Geschöpfe. Meine Leute kommen nicht mehr in diese Bucht.
    Ich werde vorwärts getrieben, und mein ganzer Körper zittert vor Erschöpfung und Angst. Ich bin nur noch anwesend in ihm, und ich kann die schlimmsten Inseln von Gift und Abfall umgehen, aber das ist beinahe alles. Wenn ich mein Gehör abschalten könnte, wie ich meine Augen schließen kann, würde ich es tun und nichts mehr wissen, bis das Ende da ist.
    Ich bin das einzig lebende Wesen in einer Wüsten weit.
    Als ich eine Landspitze umrunde, spült das Schreien und Stöhnen von Maschinen über mich hinweg, eine Woge von Lärm gegen die Wogen der See. Ich schwimme in einen Hafen hinein, der voll ist von Schiffen und anderen Dingen, die den Menschen wichtig sind. Ich tauche auf, atme die schwere Luft ein und lausche auf die Geräusche in der Luft. Vor mir leuchten helle Lichter.
    Ich tauche wieder unter. Auch das ist ein Zwang, den die Menschen mir eingegeben haben, soviel wie möglich unter der Wasseroberfläche zu bleiben. Sie hätten mir Kiemen gegeben, wenn sie es vermocht hätten.
    Dieses Labyrinth aus Formen und Echos ist kein Ort, an den mein Volk freiwillig gehen würde; gleichwohl, wenn ich meine Stimme noch hätte, wäre ich nicht so verwirrt. Jeder Klang würde mir etwas Neues über meine Umgebung sagen können.
    Eine Gestalt kommt auf mich zu.
    Diese Menschen haben mich entdeckt. Sie haben erkannt, daß ich ein Geschöpf der anderen Menschen bin, und sie schicken eine Waffe, um mich zu töten. Ich werfe mich vorwärts und versuche, ihr zu entkommen.
    Plötzlich höre ich auf zu fliehen. Dies ist es, was ich gesucht habe: anders zu sterben als der Plan der Menschen, die mich fingen, es bestimmt.
    Die Gestalt kommt näher, und ich schwimme so langsam wie ich nur kann. Ich will nicht sterben.
    Die Gestalt bewegt sich nicht wie eine Maschine.
    Und jetzt kann ich sie sehen, durch die trübe Finsternis. Dies ist keine Menschenwaffe.
    Wenn ich frei wäre, könnte ich niemals so ruhig weiterschwimmen und auf den Hai warten. Seine Vorfahren haben die meinen abgeschlachtet, als sie sich entschlossen, in die See zurückzukehren. Wir wiederum haben gelernt, die einzigen Wesen zu töten, die wir jemals gehaßt haben.
    Besser der Mörderwal, die Netze, die Waffen der Menschen. Ich kann die kalte Bestie jetzt riechen. Sie wird sich wie irrsinnig winden, wenn sie erst einmal den Geschmack meines Blutes

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