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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Halluzinationen losgeworden“, sagte sie, in der Hoffnung, daß es wahr war. „Und du? Wie geht es dir? Gut?“ Sie konnte seinen Atem auf ihrer Schulter spüren.
    „Ja. Jetzt. Dank Gryf.“
    Jasons Team gehörte der ersten Schicht an, die um Mitternacht begann und bis in den Nachmittag reichte. Seine Mitglieder arbeiteten während der heißesten Zeit des Tages, wenn die Ermüdung am größten war. Auf halbem Weg zur dritten Arbeitsperiode war Jason zusammengebrochen. Sein Körper war fiebrig und ausgedörrt und selbst durch seine Kleidung hindurch sonnenverbrannt. Die Sonne trocknete ihn aus. Gryf, der gerade seine Arbeit beendet hatte, als es geschah, hatte seine eigene Schlafperiode geopfert, um Jasons Schicht zu beenden. Um Jason zu entlasten, hatte Gryf zwei von Rotsonnes Tagen ununterbrochen durchgearbeitet. Als Kylis davon hörte, wußte sie, daß niemand außer Gryf dazu in der Lage gewesen wäre.
    Gryf hatte gegen die Regeln verstoßen, doch niemand hatte Jason zu seinem Team zurückgeschickt. Die Echse hatte niemals ein Wort darüber verloren. Kylis konnte sich ihn gut vorstellen, wie er im Halbdunkel verborgen stand und Gryf beobachtete, der auf eine Konfrontation wartete, die es nie gab.
    Dies war etwas, das der Mentalität der Echse entsprach.
    Jasons Schultern waren vernarbt, wo der Sonnenbrand besonders schlimm gewütet hatte, doch die Wunden waren sauber verheilt. Sie legte ihre Hand um seine Hüfte, um ihn zu führen. „Komm mit. Ich habe einen Schlafplatz gefunden.“ Sie waren beide verschwitzt und erschöpft von der Hitze.
    „In Ordnung.“ Gemeinsam überquerten sie den dicken Schlamm, wo jegliche Vegetation vernichtet worden war, um den großen Maschinen das Passieren zu ermöglichen. Bevor sie den Weg verließen, empfingen sie ihre täglichen Rationen von der mechanischen Ausgabestelle kurz vor dem Lager. Die geschmacklosen Riegel fielen durch den Ausgabeschlitz, für jeden zwei. Es hatte Zeiten in Kylis’ Leben gegeben, in denen sie nicht sehr gut gegessen hatte, doch noch niemals hatte sie etwas so Scheußliches wie die Gefangenennahrung zu Gesicht bekommen. Jason schob einen der Riegel in seine Gürteltasche.
    „Wann wirst du endlich damit aufhören?“
    Jason biß eine Ecke seines zweiten Nahrungsriegels ab. „Das werde ich wohl nie tun.“ Sein Grinsen zog die Antwort etwas ins Scherzhafte. Er legte sich stets Teile seiner Rationen für, wie Kylis es nannte, „lächerliche Ausbruchsabsichten“, zurück. Wenn er genügend Vorräte beisammen hatte, wollte er die Flucht durch das Sumpfland wagen.
    „Du wirst dir heute nichts absparen müssen.“ Sie schob ihre Karte noch einmal in die Apparatur, so lange, bis die Extrapunkte aufgebraucht waren und eine kleine Menge von Vorratsriegeln im Fülltrichter lagen.
    „Sie haben vergessen, meine Karte zu löschen, während ich in der Entziehungskammer lag“, sagte Kylis. Während des Sensorischen Entzugs, einer der Strafen für Fehler der Gefangenen, wurde man intravenös ernährt. Sie gab Jason die Extrarationen, der sie dankend in seiner Gürteltasche verschwinden ließ. Zusammen verließen sie das kahle Lehmgelände und betraten den Wald.
    Jason befand sich erst seit drei Wochen in Brückenkopf. Er magerte sehr schnell ab, denn er war ein großer, schlaksiger Mann, der über keine nennenswerten Reserven verfügte. Kylis hoffte, daß seine Familie ihn rasch finden und loskaufen würde. Noch bevor er sein Fluchtvorhaben in die Tat umsetzen konnte – denn sie hatte damit aufgehört, ihm seinen Traum ausreden zu wollen. Der Sumpf war unüberwindlich; höchstens mit Luftkissenfahrzeugen mochte es gehen. Es gab keine festen Wege, und wahrscheinlich lebten dort unbekannte Lebewesen, die in der Lage waren, ein Floß oder Boot umzukippen oder zu zerschmettern. Kylis verneinte weder die Existenz solcher Kreaturen, noch nahm sie sie als gegeben hin, sie wußte nur, daß einige Gefangene die Flucht versucht hatten, seit sie im Lager war, und die Wärter hatten nicht einen Finger gerührt, um sie wieder einzufangen. Rotsonne war ein Ort, wo die Behörden keine Flucht in die Freiheit tolerierten – nur in den Tod. Die nackten Kegel der Vulkane machten eine Flucht nach Norden oder Osten unmöglich; dort gab es nichts außer kahler, erstarrter Lava und Wolken giftiger Gase, der Sumpf schloß ein Entkommen nach Süden oder Westen aus. Brückenkopf war ein wirtschaftliches Gefängnis; Zäune dienten nur dazu, die Unterkünfte der Wächter von denen

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