Feuerflut
von Mond und Stern ist ein altes Symbol, eines der ältesten überhaupt. Es kündet sozusagen vom Wissen um unsere Stellung im Universum. Einige Religionshistoriker glauben, mit dem Stern von Bethlehem sei der Morgenstern gemeint.«
Painter zuckte mit den Schultern. »Das Symbol findet sich auch auf den Flaggen der meisten islamischen Länder.«
»Das stimmt, aber selbst muslimische Gelehrte werden zugeben, dass das Symbol nichts mit ihrem Glauben zu tun hat. Das haben sie von den Türken übernommen.« Hank wischte das alles beiseite. »Aber der Ursprung des Symbols liegt noch viel weiter in der Vergangenheit. Zum ersten Mal erwähnt wird es in Zusammenhang mit dem Gebiet des alten Israel. Es stammt von den Moabitern, die dem Buch Genesis zufolge mit den Israeliten verwandt waren, aber auch Verbindung nach Ägypten hatten.«
Painter hob die Hand, damit Hank nicht noch weiter ausholte.
»Schon kapiert. Das Symbol scheint Ihre Vermutung zu belegen, wonach dieses alte Volk aus Israel stammte.«
»Ja, aber …«
Painter deutete zum Horizont, zur fernen Hochebene. »Wenn es hier Antworten auf diese Fragen gibt, werden wir sie dort finden.«
12:46
San Rafael Swell, Utah
Was habe ich getan?
Kai stand benommen und geschockt mitten im Hauptraum des Pueblos der Humetewas. Iris saß am Kamin. Die Tränen der alten Frau funkelten im Feuerschein, doch ihre Miene war undurchdringlich. Sie hatte die Hände um die Sessellehnen gekrampft und schaute auf ihren Mann. Alvin lag auf dem Rücken auf dem Tisch, bis auf die Boxershorts nackt. Sein Atem ging viel zu schnell. Sein Brustkasten war voller Brandblasen. Es stank nach verbranntem Fleisch.
Eine grobknochige Schwarze stocherte mit einem Schürhaken in der Glut. Ein zweiter Schürhaken lag im Feuer. Das Ende hatte die gleiche Form wie Alvins Brandwunden. Als Kai in den Raum gezerrt wurde, sah die dunkelhäutige Frau nicht einmal auf.
Hinter ihr schleuderte der blonde Hüne, der sie im Schuppen gestellt hatte, Jordan auf den Boden. Da man ihm die Hände auf den Rücken gebunden hatte, konnte er den Aufprall nicht dämpfen. Allerdings verdrehte er so weit den Körper, dass er mit der Schulter aufkam und gegen die Wand rutschte.
Am Kopfende des Tischs saß ein weiterer Mann. Als er sich erhob, stützte er sich auf einen Stock. Kai schätzte ihn zunächst älter ein – vielleicht lag es am Stock, am ultrakonservativen Anzug oder an seiner offensichtlichen Gebrechlichkeit. Als er jedoch um den Tisch herumkam, stellte sie fest, dass sein Gesicht faltenlos war und sein dunkler Stoppelbart ebenso gepflegt wie sein akkurat gekämmtes Haar. Er war höchstens Mitte dreißig.
»Ah, da sind Sie ja endlich, Ms. Quocheets. Ich bin Rafael Saint Germaine.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Wir haben Sie schon eher erwartet und mussten deshalb ohne Sie anfangen.«
Er schwenkte seinen Stock über Alvin. Der alte Mann zuckte angstvoll zusammen, was Kai einen Stich versetzte.
»Wir haben versucht, uns Gewissheit über den Aufenthaltsort Ihres Onkels zu verschaffen, aber Alvin und Iris waren ausgesprochen unkooperativ … trotz der Fürsorge, die meine liebe Ashanda ihm zuteilwerden ließ.«
Die Frau am Kamin blickte herüber.
Als Kai ihr Gesicht sah, wurde ihr ganz kalt. Abgesehen von ihrer Größe machte die Frau einen ganz normalen Eindruck, doch in ihren Augen, die im Feuerschein funkelten, lag eine unergründliche Leere, ein Spiegel für jeden, der hineinsah.
Rafael ließ seinen Stock auf den Fußboden knallen, worauf Kai zusammenschreckte. »Zurück zur Tagesordnung«, sagte er und bedeutete der Frau, den Schürhaken aus dem Feuer zu nehmen. »Wir warten noch immer auf eine Antwort.«
Kai taumelte zum Tisch. »Tun Sie das nicht!«, platzte sie heraus. Es klang wie ein Schluchzen. »Sie wissen nicht, wo mein Onkel hinwollte!«
Rafael hob die Brauen. »Das behaupten auch die Humetewas, aber weshalb sollte ich ihnen glauben?«
»Bitte … mein Onkel hat ihnen nichts gesagt. Er wollte sie nicht einweihen. Nur ich weiß Bescheid.«
»Verrat ihnen nichts«, sagte Iris mir rauer Stimme.
Rafael seufzte und blickte zu den Deckenbalken auf. »Wie melodramatisch.«
Kai fixierte den Mann mit dem Stock, ohne Iris zu beachten. »Ich werde Ihnen alles sagen, was Sie wissen wollen.« Sie fasste sich wieder. »Aber erst, wenn Sie die anderen laufen lassen … und zwar alle. Sobald sie in Sicherheit sind, sage ich Ihnen, wo mein Onkel hinwollte.«
Rafael ließ sich das durch den Kopf gehen.
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