Feuerflut
»Ich nehme Ihnen durchaus ab, dass Sie eine aufrichtige, verlässliche Person sind, Ms. Quocheets, aber bedauerlicherweise kann ich nicht auf Ihr Angebot eingehen.« Er bedeutete der Schwarzen, sich wieder Alvin vorzunehmen. »Die Menschen sind nun mal gesprächiger, wenn man etwas nachhilft. Man braucht nur eins und eins zusammenzuzählen. Das ist alles eine Frage von Aktion und Reaktion.«
Der Schürhaken mit der rot glühenden Spitze senkte sich auf Alvins Wange. Es qualmte und zischte leise.
Rafael stützte sich mit beiden Händen auf den Stock. »Diese Narbe dürfte sich kaum verbergen lassen. Das heißt, falls er überleben sollte.«
Kai musste dem ein Ende machen. Es gab nur eine Möglichkeit. Um Zeit zu schinden und um Alvin vor weiterer Misshandlung zu schützen, musste sie die Wahrheit sagen.
Sie öffnete den Mund, doch Jordan kam ihr zuvor.
»Nehmen Sie mich als Geisel!«, rief er vom Boden aus. »Wenn Sie wollen, dass Kai Ihnen hilft, nehmen Sie mich als Druckmittel. Aber bitte verschonen Sie die Humetewas.«
Kai schlug in die gleiche Kerbe. »Er hat recht. Tun Sie, was er gesagt hat, dann rede ich.«
»Meine Liebe, Sie werden auf jeden Fall reden, unabhängig davon, ob wir Iris und Alvin laufen lassen.«
»Aber es wird länger dauern«, sagte Kai mit Nachdruck. »Vielleicht zu lange.«
Sie drehte sich um und wechselte einen Blick mit Iris, versuchte die Stärke dieser Frau in sich aufzunehmen. Wenn es sein musste, würde Kai so lange wie möglich Widerstand leisten, um ihre Peiniger davon zu überzeugen, dass es reine Zeitverschwendung wäre, wenn sie Alvin und Iris folterten, und dass sie schneller ans Ziel kämen, wenn sie das alte Ehepaar laufen ließen.
Sie wandte sich wieder zu Rafael um und bemühte sich, einen entschlossenen Eindruck zu machen. Er erwiderte ihren Blick. Sie zuckte nicht mit der Wimper.
Nach einer Weile hob Rafael die Schultern. »Gut gesprochen, Ms. Quocheets.« Er zeigte mit dem Stock auf den blonden Söldner. »Setzen Sie die Humetewas auf ein Quad, und lassen Sie sie in Richtung der Canyons wegfahren.«
»Ich will zusehen«, sagte Kai. »Ich will mich mit eigenen Augen vergewissern, dass ihnen nichts passiert.«
Kurz darauf saßen Iris und Alvin auf einem weißen Quad. Alvin war zu schwach, um zu fahren, deshalb saß er hinter seiner Frau. Iris nickte Kai zu, bedankte sich bei ihr und forderte sie auf, sich in Acht zu nehmen.
Kai erwiderte ihr Nicken und übermittelte ihr die gleiche Botschaft.
Ich danke Ihnen … und nehmen Sie sich in Acht.
Iris gab Gas und fuhr los. Das Quad holperte eine Auswaschung hinunter und verschwand um eine Biegung im Canyon.
Kai blieb vor dem Pueblo stehen. Sie beobachtete, wie die Staubwolke sich immer weiter ins Ödland entfernte.
Rafael stand im Schatten der Veranda. »Ich denke, das sollte Ihnen genügen.«
Kai wandte sich um und stieß einen Seufzer aus. Sie musterte den Mann und die dunkelhäutige Frau, die hinter ihm stand. Jede Lüge würde auf sie selbst zurückfallen – außerdem müsste Jordan es ausbaden. Wenn sie aber kooperierte, würden ihre Peiniger sie am Leben lassen.
Um sie Painter gegenüber als Druckmittel zu benutzen.
Wie der Schuft selbst gesagt hatte, es war eine Frage von Aktion und Reaktion.
»Mein Onkel ist nach Flagstaff geflogen«, sagte sie. »Sie wollten zum Sunset Crater Nationalpark.«
Um keinerlei Zweifel aufkommen zu lassen, erklärte sie ihm rasch auch den Grund.
Rafael wirkte beunruhigt, als sie geendet hatte. »Sie wissen anscheinend mehr, als ich dachte …« Er schüttelte seine Verunsicherung gleich wieder ab. »Egal. Damit werden wir schon fertig.«
Er stützte sich auf seinen Stock und wandte sich zum offenen Eingang um. Er unterhielt sich mit dem groß gewachsenen blonden Söldner. »Bernd, funken Sie Ihren Scharfschützen an. Sagen Sie ihm, er soll die beiden ausschalten und dann zum Helikopter zurückkehren.«
Ein Scharfschütze?
Kai tat zwei Schritte auf die Veranda hinaus.
Iris und Alvin.
Rafael wandte sich zu ihr um. »Ich habe Ihnen versprochen, sie laufen zu lassen«, erklärte er. »Aber ich habe nicht gesagt, wie weit ich sie laufen lassen würde.«
In der Ferne knallte ein Gewehrschuss.
Dann knallte es ein zweites Mal.
13:44
Flagstaff, Arizona
Painter blickte zum Tafelberg hoch. Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Wasserflasche. Nach zwei schweißtreibenden Stunden in der Hitze war er zu der Überzeugung gelangt, sie würden den Berg niemals erreichen und er
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