Feuerflut
Die Decke war perfekt kuppelförmig, als hätte man im Kalkstein eine Blase ausgeformt. Allerdings war diese Blase schon vor langer Zeit geborsten.
Zu ihrer Linken zog sich ein breiter Riss die Wand hoch, aus dem etwas hervorströmte – allerdings war es kein Wasser. Aus dem Riss brodelte schwarzer Schlamm. Blasen zerplatzten und setzten widerlichen Schwefelgestank frei. Der Schlamm sammelte sich in einem See, der die halbe Höhle ausfüllte und zusätzlich von etwa einem Dutzend kleineren Rinnsalen gespeist wurde, die aus schmaleren Rissen austraten. Der See ergoss sich in einen tiefen Spalt im Boden der Höhle. Darin wogte ein brodelnder Schlammfluss, der an der anderen Seite in einem finsteren Schacht verschwand.
»Erstaunlich«, sagte Hank. »Ein unterirdischer Schlammfluss. Das muss eine der geothermalen Arterien sein, die von den Vulkanen im Umkreis von San Francisco ausgehend das Colorado-Plateau durchziehen.«
Allerdings waren sie nicht die ersten Entdecker dieser gewaltigen Arterie.
Eine geschwungene Brücke, erbaut aus langen, schmalen, mit Mörtel zusammengefügten Sandsteinplatten überspannte die dampfende Schlucht. Die Bauweise ließ sich mühelos den Pueblo-Indianern zuordnen.
»Wie haben sie es nur geschafft, hier eine solche Brücke zu bauen?«, fragte Kowalski.
Hank antwortete ihm. »Die Stämme dieser Gegend waren tüchtige Baumeister und verstanden es, weitläufige Wohnhäuser an steilen Felswänden zu errichten. Der Bau der Brücke war für sie vermutlich eher eine leichtere Übung. Allerdings müssen sie die Platten wohl von Hand hierhergeschleppt haben.«
Der Blick des Professors wurde glasig – entweder wegen des Gestanks oder vor Ehrfurcht angesichts der Leistung der Erbauer. Er setzte sich in Bewegung. Felsbrocken lagen auf dem Höhlenboden verstreut, doch jemand hatte einen Weg zur Brücke freigeräumt.
Painter folgte ihm, denn er ahnte, was der Professor vorhatte. An der anderen Seite der Schlucht setzte sich der Weg von der Brücke zu einer weiteren Tunnelmündung fort. Ihre Wanderung durch diese unterirdische Welt war anscheinend noch nicht zu Ende.
Als sie sich der Brücke näherten, schlug ihnen sengende Hitze entgegen. Aufgrund des hohen Schwefelgehalts der Luft fiel ihnen das Atmen schwer. Sie hatten es nur deshalb so weit geschafft, weil die Luftströmung den Großteil der Giftstoffe durch den Schacht nach draußen beförderte.
»Glauben Sie, die Brücke trägt uns?«, fragte Kowalski, der mit dem ebenfalls verunsichert wirkenden Hank ein Stück zurückgeblieben war.
»Die Brücke hat Jahrhunderte überdauert«, meinte Painter, »aber ich gehe als Erster rüber. Allein. Wenn alles gut geht, kommen Sie mir einzeln nach.«
»Seien Sie vorsichtig«, sagte Hank.
Das brauchte er Painter nicht zweimal zu sagen. Er trat auf die Brücke. Von dort aus hatte er freie Sicht in die Schlucht. Der Schlamm brodelte und blubberte, spritzte auf die Seitenwände. Wer da hineinfiel, wäre auf der Stelle tot.
Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Dann wartete er einen Moment. Da die Konstruktion tragfähig schien, tat er den nächsten Schritt und dann noch einen. Als sich der Sandstein mit leisem Knirschen unter seinem Gewicht verlagerte, wartete er und widerstand seinem Fluchtreflex. Der Schweiß lief ihm den Rücken hinunter. Seine Augen brannten und juckten.
»Alles okay?«, rief Kowalski.
Painter hob zur Bestätigung den Arm, traute sich aber nicht zu rufen. Das war natürlich Unsinn. Schritt für Schritt ging er weiter, bis er an der anderen Seite auf festen Boden sprang.
Erleichtert stützte er die Hände auf die Knie.
»Sollen wir nachkommen?«, rief Hank.
Painter hob den Arm und winkte.
Bald darauf hatten sie alle unbeschadet die andere Seite der Schlucht erreicht. Nach kurzer Beratung wandten sie sich zu dem dunklen Tunnel und ließen den Schlammfluss hinter sich.
Aus der Gangmündung wehte ihnen ein kühler Luftzug entgegen. Die Luft roch mineralisch, doch nach dem Schwefelgestank in der Höhle war das eine willkommene Abwechslung.
Kowalski hob die Hand. »Wo kommt die Luft her?«
»Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.« Painter trat als Erster in den Tunnel.
Während sie weiter vordrangen, ging Hank ausführlicher auf Kowalskis Frage ein. »Das Höhlensystem ist offenbar sehr ausgedehnt. Damit eine Höhle atmen kann, muss in der Tiefe ein großes Volumen kühler Luft gespeichert sein.« Er zeigte hinter sich. »Die warme Höhle zieht die
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