Feuerflut
entfernt waren sie gelandet. Bernds Team war ausgestiegen und hatte sich zu Fuß auf den Weg zum Ziel gemacht.
Rafe beugte sich weiter vor.
»Na, wo steckt dein Scheißonkel?«, flüsterte er.
Er beobachtete, wie Bernd mit der anstrengungslosen Anmut eines Athleten von Fels zu Fels kletterte, beladen mit einem schweren Rucksack und dem geschulterten Sturmgewehr. Rafe ertappte sich dabei, dass er mit der Linken neidvoll seinen Oberschenkel betastete. Er ballte die Hand zur Faust. Viel mehr als Erfahrungen aus zweiter Hand konnte er vom Leben nicht erwarten. So wie jetzt. Wenn er sich nur genug konzentrierte und alle anderen Reize ausblendete, gelang es ihm für Augenblicke, ganz mit Bernd zu verschmelzen.
Sein Stellvertreter rückte an die Spitze der Gruppe vor. Bernd wollte keinen Untergebenen einem Risiko aussetzen, das er nicht selbst auf sich genommen hätte. Er kletterte über einen Steinhaufen, die Überreste einer eingestürzten Mauer, und gelangte zu einer verborgenen Rinne. Bevor er sich hineinbegab, sah man seine Hand. Bernd gab Zeichen. Rafe imitierte sie auf seinem Knie.
Leise. Auf mein Kommando. Los.
Als Kai sich gespannt vorbeugte, sah er aus den Augenwinkeln in einem der dunklen Monitore ihr Spiegelbild. Painters ferne Nichte mochte noch so desinteressiert tun, doch Rafe war nicht entgangen, dass sich ihr Atem immer dann beschleunigte, wenn er ihren Onkel erwähnte.
Oder den zweiten Gefangenen.
Der junge Mann – Jordan Appawora – befand sich im anderen Helikopter, der zwanzig Meter neben ihnen stand, und sollte Kais Kooperationsbereitschaft sicherstellen.
Rafe beobachtete, wie Bernd sich vorsichtig in der Rinne hinunterrutschen ließ. Er stellte sich vor, wie ihm die Sonne ins Gesicht brannte, ihm der Atem knapp wurde und sich seine Rücken- und Armmuskeln anspannten, wenn er das schwere Gewehr bewegte.
Bernd gelangte zu einer Biegung und spähte kurz in eine Felsspalte hinein. Mehr brauchte es nicht. Es war von Vorteil, einen Partner hinter sich zu haben. Rafe ließ die Sequenz noch einmal anzeigen und fror das Bild ein.
Die Felswände der Spalte waren mit Zeichnungen bedeckt, doch auf dem engen Raum befand sich auch eine lebende Person. Eine Frau, vermutlich die Rangerin, die Painter Crowes Team hierhergeführt hatte. Sie wandte der Kamera den Rücken zu, hielt eine Leine in der Hand und blickte in ein Erdloch hinein.
Ah, da bist du also …
Rafe seufzte. »Du machst es mir wirklich nicht leicht, mon ami. «
Er hob das Funkgerät an die Lippen. »Bernd, wie es aussieht, müssen wir schweres Geschütz auffahren. Wir müssen eine persönliche Angelegenheit draus machen, wenn wir den Gegner aus der Reserve locken wollen.«
Als er den Befehl gab, sah er wieder Kais Spiegelbild.
»Schalten Sie die Rangerin aus. Wir kommen.«
Bernd trat mit angelegter Waffe um die Biegung.
Die Frau hatte ihn offenbar gehört, denn sie machte Anstalten, sich umzudrehen. Bernds Gewehrlauf ruckte, die Frau brach zusammen.
Kai schnappte hörbar nach Luft.
Rafe streckte den Arm zum zweiten Drehsessel aus und ergriff Ashandas Hand. Sie hatte schweigend dagesessen, so reglos wie eine Statue. Beinahe hatte er sie vergessen gehabt. In seinem Herzen aber war sie ihm immer nah. Er drückte ihr die Hand.
»Ich brauche deine Hilfe.«
16:20
Vom Rand der Höhle aus betrachtete Hank das Eisgrab der Anasazi, das jahrhundertelang im Erdreich überdauert hatte. Er versuchte zu begreifen, was er da sah.
Das gibt es doch nicht …
Wände und Boden waren mit einer dicken bläulichen Eisschicht bedeckt, von der gewölbten Decke hingen gewaltige Eiszapfen herab. In die Eisschicht eingebettet war ein für die Ewigkeit konserviertes Dorf. Die eingestürzten Steinblöcke alter Pueblos türmten sich vier Stockwerke hoch, von gefrorenen Wassermassen umspült und fixiert. Das hier war ein zweites Wupatki, nur größer. Die Bewohner hatte das gleiche Schicksal ereilt wie ihre Behausungen. In der Eisschicht waren schwärzliche Mumien zu erkennen, die aussahen, als wären sie aus den Häusern geschwemmt worden. Zerbrochene Tongefäße und kaputte Leitern waren im Eis begraben, die meisten an der einen Seite der Höhle versammelt, zusammen mit Decken und Weidenkörben im ewigen Frost konserviert.
»Hier muss eine Springflut durchgelaufen sein«, meinte Painter und zeigte auf die anderen Tunnelmündungen. »Erst sind alle ertrunken, dann ist das Wasser wieder gefroren.«
Hank schüttelte den Kopf. »Erst sind Angehörige ihres
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