Feuerflut
Weltgefüge riss und den Tunnel zum Einsturz brachte. Doch er musste auch an die erste Explosion in den Bergen von Utah denken, wo die Druckwelle eher schwach gewesen war und nur die Anthropologin und einen weiteren Augenzeugen getötet hatte.
Die eigentliche Gefahr lag woanders.
Als die Detonation verhallte und die gleißende Helligkeit tiefer Dunkelheit Platz machte, wälzte er sich von Kai herunter. Nachbilder hatten sich in seine Netzhaut eingebrannt. Er blinzelte.
Kai setzte sich auf. »Ashanda …«
Die Frau hing schlaff im Felsspalt, doch sie atmete noch.
»Bitte, helfen Sie ihr …«, flehte Rafael.
Painter ging an Kai vorbei, die noch immer an Ashanda gefesselt war. Behutsam zog er sie aus der Spalte, legte sie auf dem Boden ab und lehnte sie mit dem Rücken neben Rafael an die Wand.
Dann spähte er durch die Spalte in die Höhle. Chin war umgekehrt und leuchtete mit der Taschenlampe. Deren Lichtkegel vermochte die Dunkelheit nicht zu durchdringen. Ein schwarzer Nebel erfüllte den Raum: Gesteinsstaub, Rauch und etwas, von dem Painter fürchtete, dass es nicht von dieser Welt war. Der Nano-Herd. Als sich der Nebel ein wenig lichtete, bemerkte Painter einen noch dunkleren Schemen. Das war der alte Tempel. Doch anstatt dass dessen Umrisse schärfer geworden wären, als der Nebel sich allmählich zerstreute, verblasste der Schatten immer mehr und verflüchtigte sich, als handele es sich um eine Sinnestäuschung.
Ein Stöhnen veranlasste ihn, sich wieder umzudrehen.
Ashanda öffnete flatternd die Augen. Ihr Kopf sank kraftlos zurück, während sie sich bemühte, wieder zu Bewusstsein zu kommen.
»Sie hat versucht, uns zu schützen«, sagte Kai.
Painter vermutete, dass ihr selbstloser Einsatz vor allem Rafael gegolten hatte – vielleicht aber irrte er sich auch. Jedenfalls hatten sie alle davon profitiert.
»Ja, sie hat uns geschützt«, pflichtete er Kai bei.
Die Kleidung am Rücken der Frau verlor ihre Farbe und löste sich in Ascheflöckchen auf. Ashandas dunkle Haut wurde fleckig, als würde sie mit Kreide bestäubt – dann wurden die Flecken größer und breiteten sich aus. Blut sickerte hervor.
Sie war kontaminiert, entweder von Nanobots oder einem anderen Zersetzungsprozess. Mit ihrem Körper hatte sie sie vor dem Partikelschauer abgeschirmt.
Doch der Tunnel bot nur vorübergehend Sicherheit.
Die Engstelle begann zu zerbröckeln. Das Gestein verwandelte sich in rieselnden Sand.
»Der Vorgang läuft hier wesentlich schneller ab als in Utah«, sagte Chin. »Ein Nano-Herd dieser Größe dürfte ein exponentielles Wachstum aufweisen.«
Painter deutete in den Tunnel hinein. »Schnappen Sie sich Kowalski. Sie wissen, was Sie zu tun haben.«
»Jawohl, Sir.« Chin konnte den Blick kaum von dem Zerfallsprozess losreißen, der sich immer weiter ausbreitete und sich durch die Materie fraß. Faszination und Grauen hielten sich bei ihm die Waage. Dann aber wandte er sich ab und geleitete die anderen vor sich her Richtung Oberfläche.
Allein Jordan weigerte sich, mit ihm zu gehen. Er schlüpfte unter dem Arm des Geologen hindurch und eilte wieder zurück. »Alles okay?«, fragte er Kai.
Sie hob den gefesselten Arm.
Painter wandte sich an Rafael. »Verraten Sie uns den Code für die Handschellen.«
Der Franzose aber fixierte unverwandt Ashanda. Sie hatte das Bewusstsein wiedererlangt, war aber sehr benommen. Den Kopf in unnatürlichem Winkel an die Wand gelehnt, erwiderte sie seinen Blick. Ihr Atem ging flach. Blut floss an ihrer kontaminierten Seite herunter. Die Haut hatte sich aufgelöst, und die Muskelstränge lagen offen zutage.
»Was hast du getan, Ashanda?«, flüsterte er.
»Rafael, wir brauchen den Code für die Handschellen.«
Der Mistkerl war anscheinend taub für Painters Flehen, doch Ashanda hob zitternd ein Stück weit den Arm und ließ ihn wieder sinken. Es war klar, was sie meinte.
Painter schwieg, denn bessere Argumente als Ashanda hatte auch er nicht.
Er wartete und schaute zu, wie sich um ihn herum alles auflöste.
6:07
Rafael lag mit zerschmetterten Knochen am Boden und schaute Ashanda in die Augen. Sie hatte ihm alles geopfert. Sein Leben lang hatte er versucht, sich zu bewähren, vor anderen, vor seiner Familie, vor sich selbst. Doch vor dem Blick dieser dunklen Augen hatte er das nie nötig gehabt. Ashanda hatte ihn so akzeptiert, wie er war, hatte schweigend über ihn gewacht, war immer da gewesen, wenn er sie gebraucht hatte.
In diesem Moment erkannte auch er sie
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