Feuerflut
Fälschungen oder üble Scherze; andere Berichte konnten nie bestätigt werden.
Er starrte die verschwommenen Schriftzeichen an und hätte sie am liebsten auf der Stelle untersucht – im Moment aber hatte er andere Sorgen.
Die junge Frau verlieh ihnen Ausdruck. »Was sollen wir jetzt tun?«
Er gab ihr die Goldtafel zurück und bedeutete ihr, sie wieder unter der Jacke zu verstecken. Dann reichte er ihr ein zweites Mal die Hand. »Hank Kanosh.«
Diesmal schüttelte sie ihm die Hand. »Kai … Kai Quocheets.«
Er runzelte die Stirn. »Wenn ich mich nicht irre, bedeutet Kai in der Sprache der Navajo ›Weidenbaum‹. Aber deinem Akzent und deinem Aussehen nach würde ich dich eher einem der Stämme aus dem Nordosten zuordnen.«
Sie nickte. »Ich bin eine Pequot-Indianerin. Den Vornamen habe ich von meiner Mutter. Sie war zu einem Viertel Navajo und wollte mir etwas von ihrem Erbe abgeben.«
Hank deutete den Berghang hinunter. »Dann wollen wir mal sehen, wie gut du deinem Namen gerecht wirst, junge Dame. Die Weide ist bekannt für ihre Widerstandsfähigkeit im Sturm. Und über dir braut sich mit Sicherheit ein Unwetter zusammen.«
Diese Bemerkung brachte ihm ein scheues Grinsen ein.
Hank ging zu seinem Pferd. Die Stute war schon zwanzig Jahre alt, aber noch immer äußerst trittsicher. Beim Aufsitzen machte sich seine Hüfte schmerzhaft bemerkbar.
Er befahl Kawtch mit einer Handbewegung, voranzulaufen. Jetzt, da bewaffnete Jäger im Gebirge umherstreiften, wollte er keine weiteren bösen Überraschungen erleben. Kawtch würde ihn rechtzeitig warnen.
Er drehte sich im Sattel um und reichte Kai die Hand. Sie beäugte die Stute misstrauisch. »Du bist noch nie geritten?«, fragte er.
»Ich bin in Boston aufgewachsen.«
»Okay, gib mir die Hand. Ich ziehe dich hoch. Mariah wird dich schon nicht abwerfen.«
Das Mädchen ergriff sein Handgelenk. »Wohin reiten wir?«
»Ich übergebe dich an die Behörden.«
Ihr Lächeln verflüchtigte sich. Angst flackerte in ihrem Blick. Doch ehe sie protestieren konnte, riss er sie hoch, was einen stechenden Schmerz in seiner Schulter zur Folge hatte.
»Tut mir leid, aber du musst dich deiner Verantwortung stellen.«
Sie setzte sich hinter ihn. »Aber ich habe die Explosion nicht verursacht.«
Er wandte ihr das Gesicht zu. »Das stimmt. Doch du hattest vor, eine terroristische Handlung zu begehen. Das wird Folgen haben. Hab jedoch keine Angst, ich stehe dir bei … zusammen mit einem Haufen indianischer Anwälte.«
Seine Bemerkung war nicht dazu angetan, ihr die Angst zu nehmen.
Das war nicht zu ändern. Je eher er sie in Gewahrsam brachte, desto besser für sie. Wie aufs Stichwort war auf einmal das Hubschraubergeknatter zu hören. Als er den Himmel musterte, legte Kai ihm verängstigt die Arme um die Taille. Er hatte keine Kinder, aber diese kindliche Geste weckte in ihm den väterlichen Wunsch, sie zu beschützen.
Im Norden stieg ein kleiner Militärhubschrauber aus dem benachbarten Tal auf, senkte sich hinter dem Gebirgskamm ab und näherte sich im Tiefflug. Er glich einer angriffslustigen Hornisse. Obgleich der Helikopter keine grüne Tarnlackierung hatte, konnte Hank erkennen, dass es sich um einen Apache Longbow der Nationalgarde von Utah handelte.
Obwohl sie beide keine Apachen waren, nahm er die Bezeichnung des Hubschraubers als gutes Omen. Er trieb das Pferd an und lenkte es zu einer gut einsehbaren Wiese am Waldrand.
Wir können das ebenso gut gleich hinter uns bringen.
Kai schlang die Arme fester um ihn.
»Halt dich zurück«, sagte er. »Überlass das Reden mir.«
Mit wiegendem Schritt stapfte Mariah auf den sonnenbeschienenen Grasflecken zu. Er wollte niemanden erschrecken. Noch ehe sie den Waldrand erreicht hatten, schwenkte der Hubschrauber scharf ab und hielt auf sie zu.
Vielleicht haben sie ja eine Infrarotausrüstung an Bord. Sind durch unsere Körperwärme aufmerksam geworden.
Der Helikopter senkte die Nase, die Rotoren zerteilten mit ohrenbetäubendem Knattern die Luft. Alle anderen Geräusche wurden übertönt, sodass er den Eindruck hatte, die beiden Linien aus zerfetztem Gras und hochgeschleudertem Erdreich näherten sich ihnen vollkommen lautlos.
Schließlich hörte er das Rattern der automatischen Bordwaffen.
Was zum Teufel …?
Ihm stockte der Atem.
Man schoss auf sie.
Er riss Mariah herum und rief: »Festhalten!«
5
30. Mai, 17:14
Washington, D. C.
»WIR KONNTEN DAS Handy Ihrer Nichte leider immer noch nicht orten«, sagte
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