Feuerflut
Flughafen ab.«
»Wir sind schon zu ihm unterwegs. Monk hat mir per SMS von einer wichtigen Entdeckung berichtet, die er im Nationalarchiv gemacht hat.«
»Dann stell fest, worum es geht, aber sei in einer Dreiviertelstunde am Flughafen. Und zieh dich warm an.«
»Danke, aber worum geht’s überhaupt?«
»Ich habe dir doch von dem Ausbruch subatomarer Partikel berichtet, der sich am Explosionsort in Utah ereignet hat. Soeben habe ich mit dem Leiter des Kamioka-Observatoriums in Japan gesprochen. Er hat eine weitere Neutrinoquelle geortet. Das bereitet ihm große Sorge, denn die Neutrinos stammen von einer Insel vor der isländischen Küste. Er glaubt, es könnte ein Zusammenhang zwischen den beiden Neutrinoausbrüchen bestehen, und das Bombardement der subatomaren Teilchen aus Utah könnte die Aktivität in Island ausgelöst haben, indem es, bildlich gesprochen, die Zündschnur in Brand gesetzt habe. Direktor Crowe hält es für geraten, Nachforschungen vor Ort anzustellen.«
Gray sah das genauso. »Ich hole Monk ab und mache mich gleich auf die Socken.«
»Sei vorsichtig«, sagte sie. So knapp ihre Bemerkung ausfiel, hörte er doch die verborgene Botschaft heraus. Pass gut auf meinen Mann auf. Er hatte sie verstanden.
»Kat, ich glaube, Seichan und ich würden auch allein zurechtkommen. Es wäre wohl am besten, wenn Monk bei den Wissenschaftlern bliebe, die den historischen Hintergrund durchforsten.«
Einen Moment lang herrschte Stille. Offenbar ließ sie sich seinen Vorschlag durch den Kopf gehen. Schließlich seufzte sie. »Ich weiß dein Angebot zu schätzen, Gray. Aber die beiden Wissenschaftler kommen sicher auch allein zurecht, ohne dass ihnen jemand über die Schulter sieht. Außerdem wird es Monk guttun, wenn er sich ein bisschen die Beine vertritt. Bald ist das Baby da, und Penelope kommt ins schwierige zweite Jahr. Da werden wir monatelang ans Haus gefesselt sein. Also nimm ihn besser mit.«
»Okay. Aber glaub mir, Monk hat bestimmt keine Bedenken, mit dir das Haus zu hüten.«
»Wer redet denn von ihm?«
Sie klang genervt, aber auch liebevoll. Gray hatte Mühe, sich ein solches Leben vorzustellen, bei dem man alles miteinander teilte, Kinder großzog und Nacht für Nacht seine Liebste neben sich liegen hatte.
»Ich bringe ihn wohlbehalten nach Hause«, versprach er ihr.
»Das weiß ich.«
Sie besprachen noch ein paar Details, dann beendeten sie die Verbindung.
Seichan lehnte an der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie hatte die Augen geschlossen und sah aus, als ob sie ein Nickerchen machte, doch er wusste, dass sie jedes Wort der Unterhaltung mitgehört hatte. Im nächsten Moment lieferte sie selbst die Bestätigung. »Ein Ausflug?«, murmelte sie.
»Scheint so.«
»Gut, dass ich meine Sonnencreme dabeihabe.«
Kurze Zeit später hielt der Wagen vor dem Nationalarchiv. Monk holte sie am Eingang ab. Mit breitem Grinsen und funkelndem Blick bedeutete er ihnen, sich zu beeilen. Er wirkte aufgeregt.
»Island«, sagte er, als er sie zum Rechercheraum geleitete. »Hält man das für möglich?«
Offenbar fand er allmählich Gefallen an der Feldforschung. Das schalkhafte Funkeln in seinen Augen war freilich nicht zu übersehen. Ehe Gray nachfragen konnte, hatten sie ihr Ziel erreicht.
Der Raum hatte in der Zwischenzeit eine dramatische Veränderung erfahren. Auf dem Konferenztisch stapelten sich Bücher, Manuskripte, Landkarten und Karteikästen. Die drei Lesegeräte an der Wand gaben Zeitungsseiten oder vergilbte Dokumente wieder.
Inmitten des Durcheinanders hatten sich Dr. Eric Heisman und Sharyn Dupre über einen der Kästen gebeugt und durchsuchten gemeinsam dessen Inhalt. Heisman hatte den Pullover ausgezogen und sich die Ärmel hochgekrempelt. Er nahm ein dünnes, eselsohriges Manuskript heraus und legte es auf einen Stapel.
»Das ist eine weitere Abhandlung Franklins über den Ausbruch …«
Bei Monks Eintreten blickten sie auf.
»Haben Sie’s ihm schon gesagt?«, fragte Heisman.
»Das wollte ich Ihnen beiden überlassen. Schließlich haben Sie die ganze Arbeit gemacht. Ich habe nur Pizza bestellt.«
»Worum geht’s?«, fragte Gray.
Heisman sah Sharyn an, die noch immer ihr enges schwarzes Kleid trug. Inzwischen hatte sie jedoch einen langen weißen Kittel darübergezogen und dünne Baumwollhandschuhe angelegt, um die empfindlichen Dokumente nicht zu beschädigen. »Sharyn, wie wär’s, wenn Sie anfangen würden? Ihr kreativer Vorschlag hat schließlich erst die
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