Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
Vom Netzwerk:
Handyempfang.
    Kai zuckte mit den Schultern. »Er glaubt, das geht schon. Hat eine Verschlüsselungssoftware erwähnt. Wahrscheinlich wird der ganze Datenverkehr zerhackt.«
    Hank nickte und klopfte auf den Sandstein. »Und du hast den ganzen weiten Weg zurückgelegt, nur um mir das zu sagen?«
    Sie ließ sich im Schneidersitz nieder. »Nein …« Ihr Schweigen währte verdächtig lange. »Ich wollte mir ein bisschen die Beine vertreten.«
    Er merkte, dass sie log, und konnte sich auch denken, warum. Ihm war bereits aufgefallen, dass sie eine große Scheu vor ihrem Onkel hatte und um ihn herumschlich wie ein Hund, der sich zu seinem Herrn hingezogen fühlt und gleichzeitig mit Prügel rechnet. Furchtsam wirkte sie dennoch nicht, sondern eher wachsam und abwehrbereit. Wegen ihrer Unsicherheit hatte sie es dort unten wohl nicht mehr ausgehalten und war ihm deshalb gefolgt.
    Er blickte in die aufgehende Sonne, welche die vor ihnen ausgebreitete rötliche Felslandschaft in Brand zu setzen schien. »Hast du schon mal von der na’ii’ees- Zeremonie gehört?«
    »Was soll das sein?«
    Er schüttelte mitleidig den Kopf. Wie kam es nur, dass selbst die engagiertesten indianischen Aktivisten so wenig über ihr kulturelles Erbe wussten?
    »Das ist die Sonnenaufgangszeremonie«, erklärte er und zeigte auf die flammende Geburt des neuen Tages. »Das ist ein Adoleszenzritual für junge Mädchen. Sie tanzen vier Tage und vier Nächte lang, werden zur Frau geweiht und von den spirituellen heilenden Kräften der Weiß Bemalten Frau erfüllt.«
    Als sie fragend die Brauen hob, erzählte er ihr von den Mythen der Apachen und Navajos, die sich um diese Gottheit rankten, die aufgrund ihrer Fähigkeit, mit den Jahreszeiten ihre Gestalt zu wechseln, auch Changing Woman genannt wurde. Voller Freude beobachtete er, wie sich in ihrem gelangweilten Blick erst Interesse und schließlich Faszination zeigten, ein Zeichen für ihren Wissensdurst.
    Als er endete, wandte sie sich der aufgehenden Sonne zu. »Gibt es noch Stämme, die die Zeremonie praktizieren?«
    »Ein paar schon noch. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts verbot die US-Regierung die spirituellen Riten und Praktiken der Indianer, das galt auch für die Sonnenaufgangszeremonie. Im Laufe der Zeit geriet sie in Vergessenheit und wurde erst vor Kurzem in einer schwächeren Version wiederbelebt.«
    Kais Miene verdüsterte sich. »Sie haben uns so viel geraubt …«
    »Was vergangen ist, ist vergangen. Es liegt jetzt an uns, unsere Kultur zu bewahren. Wir verlieren nur das, was wir nicht lebendig erhalten.«
    Das schien sie nicht zu trösten, denn sie klang verbittert. »Etwa so wie Sie? Sie haben unseren Glauben gegen die Religion des weißen Mannes eingetauscht. In deren Namen unser Volk verfolgt und massakriert wurde.«
    Er seufzte. Das hörte er nicht zum ersten Mal, und auch diesmal wieder gab er sich alle Mühe, der Unwissenheit beizukommen. »Fehler werden von dummen Menschen gemacht. Im Laufe der Geschichte haben Religionen häufig als Entschuldigung für Gewalt gedient, auch unter den Stämmen der amerikanischen Ureinwohner. Aber wenn es um Kultur geht, ist die Religion nur ein Faden in einem dicht gewebten Teppich. Mein Vater wurde als Mormone erzogen, meine Mutter desgleichen. Das ist ebenso ein Teil meiner Familiengeschichte wie mein Indianerblut. Das eine negiert nicht das andere. Im Buch Mormon finde ich vieles, das meinen Selenfrieden fördert und mich Gott näher bringt – oder wie auch immer man den ewigen Geist, der in uns allen wohnt, nennen will. Außerdem eröffnet mir mein Glaube eine andere Sicht auf die Vergangenheit unseres Volkes. Deshalb habe ich mich als Historiker auf die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner spezialisiert und bin Naturforscher geworden. Weil ich wissen will, wer wir sind.«
    »Wie meinen Sie das? Was hat der Mormonenglaube zur Geschichte unseres Volkes zu sagen?«
    Das war vielleicht kein guter Zeitpunkt, um einen Vortrag über das Geschichtsbild des Buches Mormon zu halten, das Zeugnis des Wirkens Christi in der Neuen Welt. Stattdessen beschloss er, Kai einen Blick auf die Schatten zu ermöglichen, welche die frühe Geschichte der amerikanischen Ureinwohner verdunkelten.
    Er richtete sich auf. »Komm mit.«
    Er humpelte zu einem ausgekehlten Sandsteinhügel. Unter dem geriffelten Rand waren behauene Steinbrocken aufgereiht, die Überreste einer Indianerbehausung. Er zog den Kopf ein, trat über die Schwelle und ging ganz nach hinten

Weitere Kostenlose Bücher