Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
Vom Netzwerk:
durch.
    »Es gibt noch immer vieles, was wir über unser eigenes Volk nicht wissen«, sagte er und schaute sich zu ihr um. »Sind dir die prähistorischen indianischen Hügelgräber ein Begriff, die im Mittleren Westen gefunden wurden, in einem Gebiet, das sich von der Seenplatte bis zu den Sümpfen von Louisiana erstreckt?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Einige dieser Hügel sind sechstausend Jahre alt. Die Stämme, denen die ersten Europäer begegneten, hatten keine Erinnerung mehr an deren Erbauer. Das ist unser kulturelles Erbe. Ein großes Geheimnis.«
    Er streckte die Hand zur Wand aus gelbem Sandstein aus, auf die ein prähistorischer Künstler mit roter Farbe drei große skelettartige Figuren gemalt hatte. Er zeigte auf das uralte Kunstwerk.
    »Es gibt viele solche Felsmalereien in dieser Gegend. Archäologen haben festgestellt, dass die ältesten Bilder achttausend Jahre alt sind. Und die sind noch relativ jung im Vergleich zu den Coso-Felsmalereien am Ufer des ausgetrockneten China Lake. Die sind sechzehntausend Jahre alt und wurden gegen Ende der letzten Eiszeit erschaffen, als hier noch Mammuts, Säbelzahntiger und der Bison antiquus lebten.« Er drehte sich abermals zu Kai herum. »So weit reicht unsere Geschichte zurück, und so wenig ist darüber bekannt.«
    Bevor er fortfuhr, gab er ihr Gelegenheit, das Gewicht der Zeit auf ihren jungen Schultern zu spüren. »Auch die Zahl der Menschen, die hier lebten, wurde stark unterschätzt. Neueste Untersuchungen der chemischen Zusammensetzung von Stalagmiten und der Ausdehnung von Holzkohleablagerungen in Nordamerika lassen vermuten, dass die Population der amerikanischen Ureinwohner weit über hundert Millionen zählte. Das wären mehr Menschen, als zu der Zeit, als Christopher Columbus die Neue Welt erreichte, in ganz Europa lebten.«
    Ihre Augen leuchteten im Halbdunkel. »Was ist mit all den Menschen passiert?«
    Er schwenkte die Hand in einem weiten Bogen und trat wieder ins Freie. »Nach der Ankunft der Europäer haben sich ansteckende Krankheiten wie die Pocken schneller über den Kontinent ausgebreitet als die Kolonisten, weshalb sie den Eindruck gewannen, das Land sei nur spärlich besiedelt. Aber das war ebenso falsch wie alle anderen Annahmen.«
    Kai folgte ihm zusammen mit Kawtch, der witternd die Schnauze reckte, zurück zum Felsvorsprung. Nachdenklich schaute sie in die Ferne. Das Morgenrot war einem tiefen Blau gewichen.
    »Ich verstehe, was Sie sagen wollen«, meinte sie. »Wir kennen uns erst dann, wenn wir unsere Geschichte kennen.«
    Er musterte sie erstaunt. Offenbar war sie viel aufgeweckter, als sie sich anmerken ließ – was sie im nächsten Moment erneut unter Beweis stellte. »Aber Sie haben mir noch nicht erklärt, inwiefern das Buch Mormon eine neue Sicht auf unsere Geschichte eröffnet.«
    Ehe Hank antworten konnte, knurrte Kawtch. Er hielt die Schnauze noch immer witternd in die Höhe. Am Horizont zeichnete sich ein verschwommener schwarzer Fleck ab. Es sah aus, als braute sich dort ein mächtiges Gewitter zusammen.
    »Rauch«, murmelte Hank.
    Und zwar jede Menge.
    »Ein Waldbrand?«, fragte Kai.
    »Das glaube ich nicht.« Er bekam Herzklopfen, denn das konnte nichts Gutes bedeuten. »Wir sollten umkehren.«
6:38
Provo, Utah
    Rafael Saint Germaine saß in der großen, extravagant eingerichteten Küche und trank Espresso aus einer kleinen Porzellantasse. Die Absurdität des Raums belustigte ihn. Was die Amerikaner als Gipfel des Luxus betrachteten, erschien ihm lächerlich. Sie lebten in billigen Häusern und bemühten sich, mit der Einrichtung den Charme der Alten Welt heraufzubeschwören. Sein Familienschloss in Carcassonne stammte aus dem sechzehnten Jahrhundert und war umgeben von befestigten Mauern, auf deren Zinnen man Schlachten ausgefochten hatte, die den Lauf der westlichen Zivilisation verändert hatten.
    Dies war das wahre Merkmal der Aristokratie.
    Er blickte durchs Küchenfenster über die ausgedehnten Rasenflächen hinweg zum Helikopter, dessen Besatzung sich auf den Abflug vorbereitete. Auf dem Tisch lagen Ausdrucke mit biografischen Daten. Er hatte sie beim Frühstück gelesen und sah keinen Grund, sie noch einmal durchzugehen. Die meisten Details hätte er auswendig aufsagen können.
    Ganz oben auf dem Stapel lag das Foto des Mannes, der in der Nacht zuvor in der Universität seine Pläne vereitelt hatte. Es hatte nicht lange gedauert, dem Gesicht einen Namen zuzuordnen. Wie sich herausstellte, war der Mann ein

Weitere Kostenlose Bücher