Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
Vom Netzwerk:
Tiefe.
    »Kommen Sie, Major!«
    Er wurde am Uniformkragen gepackt und aus dem Sitz gerissen. Chin kletterte über die Windschutzscheibe, zog ihn mit sich. Ryan fiel neben Chin auf die Motorhaube. Als der Jeep wegrutschte, rollten sie sich nach vorn ab.
    Ryan prallte auf den Granithang und kroch daran hoch, um nicht vom Jeep mitgerissen zu werden. Chin packte ihn beim Handgelenk und zog ihn auf eine schmale Felsleiste hoch, die gerade mal Halt für die Zehen bot. Keuchend und hustend standen sie da wie zwei kleine, versengte Vögel.
    »Meine Männer …«, murmelte Ryan benommen.
    Chin drückte ihm mitfühlend den Ellbogen. »Hoffen wir, dass sie Ihren Befehl gehört haben.«

17
31. Mai, 6:05
San Rafael Swell, Utah
    HANK KANOSH BEGRÜSSTE die Morgendämmerung auf den Knien, was kein Akt der Anbetung war, sondern allein Ausdruck seiner Erschöpfung. Kurz vor Sonnenaufgang war er von der Pueblosiedlung aufgebrochen und den steilen Pfad hochgeklettert. Der Weg schlängelte sich durch ein Labyrinth von Slot Canyons bis zu einer größeren Auswaschung. Neben ihm saß Kawtch und hechelte. Es war noch kühl, doch der Weg war beschwerlich, und sie waren beide nicht mehr jung.
    Doch was ihm die Beine schwer und den Aufstieg zu einer Strapaze machte, war weniger die Last des Alters. Es war sein Herz. Es pochte von überbordendem Schuldgefühl, weil er überlebt hatte und seiner Verantwortung nicht gerecht geworden war. Am Tag zuvor, als er auf der Flucht gewesen war, war es ihm noch leichter gefallen, den Schmerz über den Tod seiner Freunde zu verdrängen.
    Jetzt funktionierte das nicht mehr.
    Er betrachtete die schroffe Landschaft vor sich. Fast die gleiche Wanderung hatten er und Maggie vor zehn Jahren gemacht und sich gegenseitig auf den Zahn gefühlt. Er erinnerte sich noch deutlich, wie sie sich genau an dieser Stelle geküsst hatten. Ihr Haar hatte nach Salbei gerochen; ihre Lippen hatten salzig geschmeckt, aber auch süß.
    Er schwelgte in der Erinnerung, auf einem Felsvorsprung oberhalb der tiefen Schlucht kniend, die Little Grand Canyon genannt wurde. Sie lag mitten im San Rafael Swell, einer knapp hundert Kilometer breiten Ausbeulung von Sedimentgestein, das vor fünfzig Millionen Jahren von geologischen Kräften angehoben worden war. Seitdem hatten Regen und Wind die Gegend zu einem Labyrinth steiler Hänge, zerklüfteter Canyons und schroffer Auswaschungen geformt. In der Tiefe schlängelte sich der San Rafael River auf seinem Weg nach Colorado träge durch die Landschaft und setzte den Erosionsprozess fort.
    Die Sandsteinregion war nahezu menschenleer, bewohnt von wilden Eseln, Pferden und einer der größten Herden von Dickhornschafen. Die einzigen zweibeinigen Besucher waren abenteuerlustige Wanderer, denn die wenigen Straßen waren nur mit Geländefahrzeugen zu befahren. In der Vergangenheit war das unzugängliche Labyrinth der Canyons und Schluchten Rückzugsgebiet von zahlreichen Gesetzlosen gewesen, darunter auch Butch Cassidy und dessen Bande.
    Und die Geschichte wiederholte sich anscheinend.
    Hank und seine Begleiter waren in den frühen Morgenstunden den steinigen Weg hinuntergeklettert, der von der Copper Globe Road in die Tiefe führte. Ihr Ziel waren die Ferienhäuser seiner pensionierten Kollegen Alvin und Iris Humetewa. Hanks Gruppe war überfallartig aufgetaucht, doch die beiden hatten sie wie erwartet freundlich aufgenommen.
    Im Moment hielten sich dort keine Studenten auf.
    Oder fast keine Studenten.
    »Du kannst dich jetzt zeigen«, sagte Hank.
    In der hinter ihm befindlichen Auswaschung seufzte jemand missmutig. Kai Quocheets trat hinter einem Felsen hervor. Sie war ihnen die ganze Zeit gefolgt.
    »Wenn du den Sonnenaufgang betrachten willst«, sagte er, »solltest du besser zu mir raufkommen.«
    Sie ließ mürrisch die Schultern hängen und kletterte auf den Ausguck. Kawtch schlug zur Begrüßung ein paar Mal den Schwanz gegen den Sandstein.
    »Ist der Untergrund auch stabil?«, fragte sie, während sie über die Kante des Felsvorsprungs in den Abgrund spähte.
    »Das Gestein ist jahrtausendealt, da wird es wohl noch ein paar Minuten standhalten.«
    Sie wirkte nach wie vor skeptisch, kam aber trotzdem näher. »Onkel Crowe und sein Kollege schließen Notebook und Telefon gerade an eine Satellitenschüssel an.«
    »Ich dachte, er wollte erst mal von der Bildfläche verschwinden.«
    In den Häusern der Humetewas gab es weder Fernsehen noch Telefon. Im Labyrinth der Canyons gab es auch keinen

Weitere Kostenlose Bücher