Feuerflut
Winterabenden am Kamin erzählt.«
Gray fing Monks Blick auf. Vielleicht enthielt diese Geschichte ja ein Körnchen Wahrheit, einen Hinweis auf die explosive Kraft, die hier vor langer Zeit von einem Zuflucht Suchenden versteckt worden war.
»Können Sie uns sagen, wo die Höhle liegt?«, fragte Gray.
Huld zuckte mit den Schultern. »Fjandinn, wenn ich’s wüsste. Aber in der Jagdlodge wohnt ein Verwalter, Ol’ Olafur Bragason. Sie können ihn Ollie nennen. Der ist schon eine Nummer. Lebt hier seit über sechzig Jahren und ist genauso schroff und scharfkantig wie die Inselfelsen. Kennt aber jeden Winkel und jede Ritze. Den müssen Sie fragen.«
Der Trawler hatte die Südspitze umrundet und näherte sich langsam einem zerklüfteten Abschnitt der Steilküste. Ein dickes Seil, an mehreren Stellen am Fels verankert, schlängelte sich von oben herab und markierte einen Pfad, der eher für Bergziegen als für Menschen gemacht schien. Das Ende des Seils war an einem Felsen festgezurrt. Sie mussten mit dem Aluminiumdingi hinüberrudern, doch wenigstens war die Stelle einigermaßen vor der Brandung geschützt.
Trotzdem hatte der Sohn des Captains einige Mühe, sie ans Seil heranzumanövrieren. Kurz darauf half Gray Seichan, vom Dingi auf den schlüpfrigen Fels zu steigen. Sogleich schulterte sie ihren Rucksack und packte das Seil. Auch Gray nahm seinen Rucksack und blickte in die Höhe. Es würde ein beschwerlicher Aufstieg werden. Auf einmal beneidete er Monk um dessen Handprothese. Dank der Aktoren neuester Bauart konnte er mit seinen Fingern Walnüsse knacken. Der feste Griff würde ihm bei der anstrengenden Kletterei von Nutzen sein.
Huld war ebenfalls mitgekommen und bediente den Außenborder. »Egg und ich bleiben in der Nähe und fischen ein bisschen. Wenn Sie fertig sind, funken Sie uns an, dann holen wir Sie ab. Wir sind morgen den ganzen Tag in Bereitschaft, um Sie jederzeit zurückzubringen.«
»Danke.«
Gray trat vom schwankenden Dingi auf den festen Fels. Das Vulkangestein war zwar nass, aber rau und scharfkantig, sodass sie gut Halt fanden. Das Seil verlieh ihnen zusätzliche Sicherheit.
Er blickte nach oben und ließ die Szenerie auf sich wirken. Seichan kletterte in die Höhe, ohne zwischendurch auszuruhen. Die Jeans spannte sich über ihren Schenkeln, ihr Po zeichnete sich deutlich ab. Das Tempo, das sie vorlegte, machte deutlich, wie froh sie war, dem dunklen Wasser zu entkommen.
Monk, der ein paar Meter hinter Seichan zurücklag, hatte Grays Blick bemerkt. »Lass dich nicht von deiner italienischen Freundin beim Spannen erwischen.«
Gray funkelte ihn böse an. Zum Glück hatte Seichan die Bemerkung aufgrund des starken Winds nicht gehört. Rachel Verona hatte er seit über vier Monaten nicht mehr gesehen. Ihre gelegentlichen Treffen waren nach Rachels Beförderung bei den Carabinieri eingeschlafen, da sie in Italien festsaß, während er aufgrund der Probleme mit seinen Eltern keine Zeit mehr für ein verlängertes Wochenende in Rom hatte. Sie hielten nach wie vor telefonisch Kontakt, doch das war’s auch schon. Getrennt durch eine Kluft, die breiter war als der Atlantik, war ihnen beiden klar, dass es so nicht weitergehen konnte.
Nacheinander zogen sie sich auf die Klippen hoch. Vor ihnen breitete sich ein wundervolles Panorama der Gräser und der von Moos und Flechten in allen möglichen Grünschattierungen bewachsenen Felsen aus. Ein leichter Nebel hing im Inneren des Vulkankegels und hüllte die Landschaft in ein prismatisches Licht.
Monk stieß einen Pfiff aus. »Sieht so aus, als wären wir mitten in einer irischen Saga gelandet.«
Seichan zeigte sich weniger begeistert. »Wir sollten als Erstes mit dem Verwalter sprechen.«
Sie wandte sich der zweistöckigen Jagdlodge zu, die zu ihrer Rechten mitten auf der Wiese stand. Zur Linken erstreckte sich der Hang des Vulkankegels, bestehend aus mächtigen Felsschichten und labyrinthischen Geröllansammlungen aus schwarzem Gestein. Gray konnte nur hoffen, dass der Verwalter ihnen helfen würde, die Suche einzuengen.
Nach einem kurzen Fußmarsch hatten sie das einzige Gebäude der Insel erreicht. Mit der Holzfassade und den kleinen Fenstern wirkte die Lodge wie eine rustikale Scheune, zumal weiter oben am grünen Hang auch noch ein paar kläglich muhende Kühe weideten. Eine dünne Rauchfahne kräuselte sich aus dem Schornstein des umzäunten Gebäudes.
Gray öffnete das Tor, schritt durch den kleinen Gemüsegarten zur Tür und klopfte. Als
Weitere Kostenlose Bücher