Feuerflut
Telefongespräch beendete, meldete sich Kowalski vom Sofa aus zu Wort, ohne auch nur den Kopf zu heben. »Explodierende Vulkane …«
Painter sah zu ihm hinüber.
»Wenn das Zeug Vulkane hochgehen lässt«, Kowalski öffnete ein Auge und erwiderte Painters Blick, »dann sollten Sie Gray empfehlen, für den Flug nach Island Asbestunterwäsche einzupacken.«
18
31. Mai, 13:10
Vestmannaeyjar (Westmännerinseln), Island
GRAY QUERTE DAS Achterdeck des Fischtrawlers. Trotz des wolkenlosen Himmels hatte sich aufgrund des starken Winds eine kurze, steile Dünung aufgebaut, und das Deck schwankte und bockte unter seinen Füßen. Seichan und Monk standen an der Reling, gegen den kalten, gischtigen Wind in wasserdichtes Ölzeug eingemummt. Das Meer funkelte in der Mittagssonne, die zu schwach war, um die Luft zu erwärmen.
»Der Kapitän meint, wir würden Elliðaey in etwa zwanzig Minuten erreichen«, sagte Gray.
Seichan beschattete die Augen mit der Hand und blickte nach Osten. »Ist das auch bestimmt die richtige Insel?«
»Nach allem Dafürhalten ja.«
Sie waren eine Stunde zuvor in Reykjavik gelandet und an Bord eines Privatflugzeugs gegangen, das sie zu der sieben Seemeilen vor der isländischen Küste gelegenen Inselkette gebracht hatte. Die Vestmannaeyjar-Inseln waren eine abweisende Kette smaragdgrüner Wächter in einer See, die ebenso wild bewegt war wie die Geschichte der Region. Die Inseln waren nach den irischen Sklaven benannt, die man Westmänner genannt hatte. Im Jahr 840 hatten sie ihre Peiniger getötet und waren von den Inseln geflohen, bis man sie wieder aufspürte und niedermachte. Nur ihr Name hatte überdauert. Heute brauchte es schon ein sonniges Gemüt, um auf der größten der Inseln zu leben, in Gesellschaft von Möwen und der weltweit größten Papageientaucherkolonie.
Gray schaute zum allmählich zurückweichenden malerischen Hafen von Heimaey hinüber, dessen bunte Holzhäuser und Läden einen kräftigen Kontrast bildeten zu den grünen Hügeln und den beiden bedrohlich aufragenden Vulkankegeln. Gleich nach der Landung auf dem kleinen Inselflugplatz hatten sie ein Boot gechartert, das sie zu den Koordinaten bringen sollte, die ihnen die japanischen Physiker genannt hatten – Kat zufolge handelte es sich bei der Ortsangabe allerdings um eine grobe Schätzung. Und hier draußen gab es viele Inseln. Zu dem kleinen Archipel gehörten über ein Dutzend unbewohnte Inseln sowie zahllose Magmasäulen und vom Wind ausgehöhlte Felsbogen.
Die Inselkette war nach geologischen Maßstäben noch jung, entstanden vor etwa zwanzigtausend Jahren aufgrund der vulkanischen Aktivität entlang einer Nahtstelle der Kontinentalplatten. Die Aktivität dauerte an. Mitte der Sechzigerjahre war bei einem Vulkanausbruch am Meeresboden Surtsey, die südlichste Insel, entstanden. In den Siebzigern brach der Erdfell aus – einer der beiden Vulkankegel auf Heimaey – und begrub die halbe Hafenstadt unter seiner Lava. Die Spätfolgen hatte Gray beim Landeanflug aus der Luft betrachten können. Aus den Lavafeldern ragten noch Straßenschilder hervor; am Rand des erstarrten Magmas hatte man ein paar Häuser ausgegraben, die dem Städtchen seinen zweiten Namen gaben: Pompeji des Nordens.
»Ich glaube, hier sind wir richtig«, sagte Monk und zeigte nach vorn.
Gray drehte sich um und erblickte schwarzen Fels, der sich aus dem Meer erhob. Auf dieser Insel gab es keine Sandstrände und keine geschützten Häfen. Schwarze Felswände säumten die Insel Elliðaey, eigentlich kaum mehr als ein zerklüfteter Vulkankegel, der aus den Meereswogen aufragte. An der Oberseite war die Insel smaragdgrün – eine Hochwiese aus Moosen, Flechten und Seegras, deren Grün im Sonnenschein geradezu unnatürlich leuchtete.
»Wie sollen wir da raufkommen?«, fragte Monk, während das Fischerboot unbeirrt der schroffen Felsinsel entgegenschwankte.
»Ihr werdet klettern, meine amerikanischen Freunde«, tönte es aus dem Ruderhaus hervor. Captain Ragnar Huld trat aufs Deck, bekleidet mit offener gelber Öljacke, Stiefeln und dickem Wollpullover. Mit seinem dichten roten, grau melierten Bart und seiner sonnengebräunten, salzgegerbten Haut hätte er in Fell und Leder einen prächtigen Wikinger abgegeben. Allein seine grünen Augen, aus denen der Schalk funkelte, milderten ein wenig die Wirkung seiner grimmigen Erscheinung.
»Ich fürchte«, sagte er, »der einzige Weg nach oben führt übers Kletterseil. Aber ihr macht alle einen fitten
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