Feuerflut
Kreischen ab. Der Helikopter kippte auf die Nase. Gray sah in der Tiefe das dunkle Meer, als sich die Maschine von der auseinanderfallenden Insel löste.
Der Helikopter flog noch ein Stück weiter, kippte auf die Seite, dann setzte eine Torkelbewegung ein.
15:22
Während der Helikopter sich unkontrolliert drehte, sah Seichan immer wieder das dunkle Meer. Sie klammerte sich an einem Handgriff fest und presste sich auf der Suche nach Halt gegen einen Holm. Monk rief etwas von hinten, der alte Verwalter schrie vor Angst. Gray wurde vom Sitz gegen die Windschutzscheibe geschleudert und prallte mit dem Kopf gegen den Rahmen.
Der angeschnallte Pilot kämpfte immer noch mit der Steuerung, versuchte mit allen Tricks, die Maschine zu stabilisieren und ihren Absturz zu verlangsamen. Als er am Steuerknüppel riss, hob sich die Nase des Hubschraubers ein wenig, und die Torkelbewegung verlangsamte sich.
Gray fiel auf den Sitz zurück und stieß mit dem Knie gegen den Helm des Piloten. Blut lief ihm vom Schädel über die eine Gesichtshälfte.
Der Pilot schob ihn von sich weg. »Lassen Sie mich arbeiten! Halten Sie sich fest.«
Seichan packte Gray mit der freien Hand beim Kragen und riss ihn nach hinten. Gemeinsam taumelten sie in den rückwärtigen Teil der Kabine. Monk bemühte sich gerade, Ollie anzuschnallen.
Die Kabinentür flog krachend auf und zu, sodass für Augenblicke immer wieder Inselreste in den Blick gerieten. Der abgebrochene Rand des Vulkankegels traf aufs Wasser und warf eine gewaltige Woge auf, die meerwärts wanderte. Der aus mehreren Rissen aufsteigende Rauch verdeckte den größten Teil der Landmasse. Inmitten der dunklen Wolke quoll glühende Lava aus dem Boden. Hin und wieder wurde sie weit emporgeschleudert.
Noch erschreckender aber war das Meer, das ihnen entgegenstürzte.
Da bis zum Aufprall nur noch Sekunden blieben, drückte Seichan den benommenen Gray mit der Schulter gegen das Gepäcknetz an der Wand. Er besaß immerhin die Geistesgegenwart, sich mit dem Arm darin zu verhaken. Als sie sich anschickte, es ihm nachzutun, sah sie, wie eine riesige Woge auf den abstürzenden Helikopter zurollte.
Die Maschine prallte auf die Woge. Seichan wurde gegen den Boden gedrückt. Metall kreischte – dann auf einmal Stille, während eiskaltes Wasser in die Kabine strömte. Seichan wurde umhergeworfen wie eine Stoffpuppe. Mit dem Bein stieß sie gegen etwas Scharfes, das ihre Jeans aufriss und ihr den Oberschenkel aufschlitzte. Dann prallte sie gegen Gray, dessen Kopf in eine Luftblase ragte. Er versuchte, sie zu packen. Und sie versuchte, sich am Gepäcknetz festzuhalten.
Beides misslang.
Während der Helikopter allmählich sank, wurde sie von der Strömung in einem Schwall von Luftblasen durch die offene Kabinentür gerissen. Sie überschlug sich und schluckte Salzwasser. Blut verteilte sich im Meer. Der zertrümmerte Helikopter sank inmitten einer Ölwolke, die sich langsam ausbreitete, in die dunkle Tiefe. Während die Maschine in der Schwärze verschwand, stellte sie fest, dass sie ganz allein war.
Gray …
Doch sie konnte nichts tun. Der Helikopter war bereits zu tief gesunken, um hinter ihm herzutauchen. Sie hätte es niemals zurück an die Oberfläche geschafft.
Unter Aufbietung aller Kräfte trotzte sie der Verzweiflung und wandte sich ab. Sie strebte dem schwachen Lichtschimmer entgegen. Ihr war gar nicht klar gewesen, wie tief sie bereits gesunken waren. Trotz ihrer akuten Atemnot machte sie Schwimmbewegungen. Die Kälte ging ihr durch und durch.
Auf einmal huschte etwas Dunkles über ihr vorbei und verdeckte die Sonne. Sie hielt inne, verharrte in der eisigen Tiefe. Weitere Schatten tauchten auf, umkreisten sie, teilten das Wasser mit ihren Flossen. Sie sah den wachen Verstand in ihren Augen, die Schläue und die Fressgier.
Orcas …
Angelockt von ihrem Blut.
Obwohl die Kälte ihr bis ins Mark drang, breitete sich prickelnde Wärme in ihr aus. Sie spähte in die Tiefe, spürte die Gefahr.
Ein dunkler Schatten stieg zu ihr auf, das Maul mit den scharfen Zähnen weit aufgerissen.
Sie schrie, schluckte Wasser, trat hektisch mit den Beinen aus.
Es war zwecklos.
Zähne bohrten sich durch die Hose in ihr Bein.
15:24
Gray hielt den Atem an, denn das bisschen Atemluft im sinkenden Helikopter war so gut wie verbraucht. Mit tauben, eiskalten Fingern riss er die Packriemen ab. Er hatte einen fürchterlichen Druck im Kopf und das Gefühl, als wäre sein Gehirn ein Nadelkissen. Er zog den
Weitere Kostenlose Bücher