Feuerflut
glühende Lava herab. Wo das flüssige Gestein aufs eiskalte Wasser traf, stiegen Dampfschwaden empor.
Unablässiges Grollen und Dröhnen erfüllte die Luft.
Sie waren der Insel noch immer viel zu nah.
Plötzlich knallte es ohrenbetäubend laut, und in der Inselmitte schoss eine Feuerfontäne hoch. Rauch wogte, und heiße Asche begann herabzuregnen, fiel zischend aufs Wasser und brannte sich in die nackte Haut. Verdeckt durch den Rauch, stürzten große Felsbrocken herab und klatschten laut ins Wasser.
Ein leises Husten veranlasste Gray, sich umzudrehen.
Ollie krampfte sich zusammen und hustete erneut. Wasser drang ihm aus Nase und Mund. Monk richtete sich erleichtert auf. Er half dem alten Mann, sich aufzusetzen. Der Hausverwalter blickte sich verständnislos um.
Mit heiserer Stimme sagte er: »Ich hab immer schon gewusst, dass ich mal in helviti landen würde.«
Monk klopfte ihm auf die Schulter. »Sie sind nicht in der Hölle, alter Mann. Noch nicht.«
Ollie riss die Augen auf. »Sind Sie sicher?«
Der Ascheregen wurde heftiger. Die Flocken trieben umher wie Feuerschnee und bildeten auf dem Wasser eine dünne Schicht. Eine glühende Ascheflocke fiel auf das Floß. Ehe sie sie entfernen konnten, hatte sie sich durch die Polyurethanschicht des Auftriebselements hindurchgebrannt. Zischend entwich die Luft, das Floß bekam Schlagseite.
»Wir müssen weiter von der Insel weg«, sagte Gray. »Aus der Aschewolke raus. Wir müssen paddeln.«
»Oder wir lassen uns mitnehmen.«
Das laute Blöken eines Nebelhorns schallte übers Wasser.
Gray wandte den Kopf. Der Bug eines großen Boots kam aus dem Rauch hervor und hielt auf sie zu, eine unheimliche, aber hochwillkommene Erscheinung.
Captain Hulds Fischtrawler.
Von Hulds Sohn geschickt gesteuert, ging das Boot längsseits.
Der Captain rief sie vom Deck aus an. »Was zum fjandanum habt ihr mit meiner Insel gemacht?« Er grinste breit.
Huld trat aufs Achterdeck und half ihnen an Bord. Ollie war noch zu schwach und musste von Monk und Gray in die Mitte genommen werden.
»Ihr seht aus wie ertrunkene Ratten«, sagte Huld. »Kommt mit. In der Kabine gibt es Decken und trockene Sachen.«
»Wie haben Sie uns gefunden?«, fragte Gray.
»Hab das Blinklicht gesehn.« Er zeigte auf die LED-Leuchte an der Vorderseite des Rettungsfloßes. »Außerdem konnten wir nicht weg, bevor wir euch gefunden hatten. Das hätte sie nicht zugelassen.«
Eine schlanke Gestalt kam aus dem Steuerhaus hervorgehumpelt. Gehüllt in eine Decke, das linke Bein bis zur Mitte des Oberschenkels verbunden.
Seichan …
Gray hätte Ollie beinahe losgelassen und wäre ihr entgegengestürzt.
Monk fluchte überrascht.
»War verdammt knapp«, meinte Huld. »Die Orcas, die wir auf der Herfahrt gesehen haben, sind uns nicht von der Pelle gerückt, seit das Feuerwerk angefangen hat. Haben an uns geklebt wie verängstigte Kinder am Rockzipfel ihrer Mutter. Dann ist der ganze Schwarm auf einmal abgetaucht. Hab schon gedacht, jetzt sind sie weg. Aber kurz darauf sind sie wieder hochgekommen mit der Frau, die schon halb ertrunken war. Haben sie über die Reling gestupst.«
Gray wusste, dass die Bezeichnung Killerwale irreführend war. In freier Natur war es noch nie vorgekommen, dass ein Orca einen Menschen angegriffen hätte. Hingegen gab es zahlreiche Berichte über Ertrinkende, die von einem Orca gerettet worden waren. In dieser Hinsicht waren sie den Delfinen ähnlich.
Offenbar hatte der verspielte Orcaschwarm – den Huld regelmäßig fütterte – sich heute für seine Zuwendung erkenntlich gezeigt.
Seichan wirkte eher zornig als erleichtert. »Ich hätte es auch aus eigener Kraft geschafft.«
Huld zuckte mit den Schultern. »Das haben die wohl anders gesehen. Und die kennen sich in diesen Gewässern besser aus als Sie, meine stúlka. «
Seichan funkelte ihn böse an.
»Wir haben Ollie mitgebracht«, sagte Monk, der unter dem Gewicht des Verwalters ächzte. »Er muss ins Warme, und ich möchte ihn noch mal gründlicher untersuchen. Er hat eine Menge Wasser geschluckt.«
Das hatten sie alle, doch Gray drängte Monk, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Bevor Huld zu seinem Sohn ging, um ihm zu helfen, sagte er: »Ich hab den Kurzwellenfunk abgehört. Die Nachricht vom Vulkanausbruch hat sich schon verbreitet. Offenbar ist entlang dem Graben, der sich hier über den Meeresboden zieht, an mehreren Stellen Magma ausgetreten. Wenn das hier vorbei ist, könnte es ein, zwei Inseln mehr
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