Feuerfrau
leid.«
»Du Miststück«, zischte er.
Ich spürte seinen Atem und roch den schalen Alkoholdunst, den er stoßweise verströmte. Der Geruch war nicht dein Geruch, aber sein Mund war gierig und wissend, mehr konnte ich nicht verlangen. Ich kann Martins Körper von dem deinen unterscheiden, aber sobald ich den Blick nach innen kehre, finde ich, was ich suche. Sei klug, Ariana, mach, daß er nicht in jeder Hinsicht die Wahrheit erfährt. Das, was du tust, ist unmoralisch.
Man muß dafür oder dagegen sein, ich habe meine Wahl unter Gewissensbissen getroffen, schon lange. Der Zweck heiligt das Mittel, nicht wahr, Amadeo? Wir schaffen uns nur die Wirklichkeit, die wir sehen wollen. Wir sind nicht behindert durch Konventionen, das waren wir nie.
Dein Bild flimmert vor meiner Netzhaut, kommt näher, wird deutlicher. Ich träume von dir; ich rufe stumm deinen Namen. Der Wachtraum ist zu stark, zu intim, um von einem anderen geteilt zu werden.
Auf Liebe lassen wir uns nicht ein, mit anderen. Ich suche dich in Martins Körper, ich vertausche sein Gesicht mit deinem Gesicht. Ich benutze ihn. Ich bin eine Betrügerin. Alles spielt sich draußen ab, an der Oberfläche. Meine Bauchmuskeln dehnen und ziehen sich zusammen, eine sich hinziehende rhythmische Tätigkeit, aufsteigend und innehaltend, ewig und zwecklos. Eine Empfindung für sich, die keine innere Flamme entzündet; und wenn, nur einen blutlosen Abglanz davon, ein schwaches, kreisartiges Gefühl. Der Geruch nach Whisky schickt mir einen schlechten Geschmack in den Mund hinauf, salzig wie die Tränen, die ich nicht vergießen werde, niemals…
12. KAPITEL
In der Nacht drehte sich der Wind; am nächsten Morgen lagerte der berüchtigte Smog wieder dicht über Athen. Sonnenstrahlen durchbrachen das Grau, ein bösartiges Flimmern und Funkeln, das schmerzhaft die Augen traf. Der Frühstücksraum war voller Gäste, die alle gleichzeitig bedient werden wollten. Auf den Tischen dampfte Tee; Fotoapparate und Stadtführer lagen zwischen Butter, Marmelade und klebrigen Brötchenhälften. Die Touristen – Deutsche und Engländer – löffelten Joghurt, bestellten Orangensaft, Toast und Spiegeleier mit Speck. Wir mußten lange warten, bis der Kellner an unseren Tisch kam.
»Wir hätten früher aufstehen sollen«, meinte Martin.
Ich hatte wieder den alten, den Martin der ersten Tage vor mir: liebenswürdig, sympathisch, ein wenig kleinlaut, wie ein Student, der zu lange auf einer Party gewesen war.
»Oh, der Kaffee ist stark!« sagte er beim ersten Schluck.
»Nimm Milch«, sagte ich und hielt ihm die Kanne hin. Ich wußte, daß er seinen Kaffee nicht zu stark mochte. Er lächelte zerknirscht.
»Ich hatte wirklich einen Schwips.«
»Fühlst du dich jetzt gut?«
»Besser.«
»Du mußt aufpassen«, sagte ich, »Männer, die trinken, setzen Fett an.«
Er grinste und massierte sich die Hüften.
»Ich fange an, etwas anzusetzen.«
»Wenn du so weitermachst, ja.«
»Haben wir genügend Zeit?« fragte er.
Ich sah auf die Uhr.
»Wir frühstücken in Ruhe und bestellen ein Funktaxi.«
Das Taxi traf mit einer halben Stunde Verspätung ein. Martin wurde wieder unruhig.
»Wenn die weiter so trödeln, verpassen wir das Flugzeug.«
»Hierzulande ist Pünktlichkeit ein dehnbarer Begriff.«
Das Taxi war bereits mit zwei Fahrgästen besetzt: ein enorm fetter Pope mit einem roten Gesicht und ein junger Soldat, der zum Piräus wollte.
»Was soll denn das schon wieder?« fragte Martin. »Bilden die sich ein, daß wir für sie bezahlen?«
Ich klärte ihn auf: In Griechenland werden die Taxis oft als Mini-Bus genutzt, jeder Fahrgast bezahlt seinen Teil. Ich notierte mir lediglich den Zählerstand, damit wir nicht für die Strecke zu bezahlen hatten, die gefahren war, bevor wir zugestiegen waren. Martin beruhigte sich, nickte mir anerkennend zu.
»Du denkst an alles.«
Ich lächelte.
»Ich kenne die hiesigen Sitten.«
Der Priester und der Soldat unterhielten sich lebhaft; der Fahrer mischte sich gestikulierend ein, schnitt Kurven mit kreischenden Bremsen und hielt so scharf vor jeder Ampel, daß wir gegen den Vordersitz geschleudert wurden.
»Oh Gott«, stöhnte Martin, mit zunehmenden Anzeichen von Nervosität, »worüber reden die eigentlich?«
»Über die bevorstehenden Wahlen, ein unerschöpfliches Thema.«
Alle drei politisierten lauthals, riefen mir Erklärungen ins Ohr, die ich nur zur Hälfte verstand. Der Soldat schimpfte auf das Militär, der Fahrer auf die
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