Feuerfrau
Gewerkschaft, der Pope in klangvollem Baß auf die Kirche. Sie einigten sich, indem sie die Wahlen als »Kamaki« bezeichneten. Ich erklärte Martin, daß »Kamaki« nichts anderes als Anmache bedeutet.
Die Maschine nach Thessaloniki sollte um zwölf starten. Man kündigte Verspätung an. Im Flughafen herrschten Gedränge und Kindergeschrei.
Mai war der Monat der Feiertage, viele Auswärtige kehrten in ihre Dörfer zurück. Ein Sitzplatz war nicht aufzutreiben; überall lagerten ganze Familien. Wir setzten uns auf den Boden, an unsere Rucksäcke gelehnt, und warteten. Das Flugzeug sollte um eins starten, um halb drei saßen wir immer noch da. Wir gingen an die Bar, kauten lustlos Fleischbällchen am Spieß. Martin trank einen Brandy. Blauer Dunst lag in der Halle, es roch nach Schweiß, Eßwaren und Parfüm. Vor den Toiletten standen die Leute Schlange. Es wurde vier, dann halb fünf. Weitere Verspätungen wurden gemeldet. Der gesamte Flugverkehr im griechischen Luftraum schien auf einmal zusammengebrochen.
Martin wurde immer ungehaltener, warf Blicke auf die Uhr, spazierte nervös durch die Abflughalle. Eine Zeitlang saß er an der Bar, kehrte dem Gefummel den Rücken zu, während ich bei den Rucksäcken blieb und
»The Athen News« las, eine Tageszeitung in englischer Sprache.
Manchmal drehte sich Martin auf seinem Hocker um und schaute zu mir hinüber. Dann kam er wieder, das Gesicht gerötet. Ich hob den Kopf, strich mein Haar aus der Stirn.
»Warum bist du so nervös? Das macht die Sache nicht besser.«
»Ich kann dieses Warten nicht ausstehen. Ich habe noch nie in meinem Leben warten können.«
»Mir macht das nichts aus.«
»Das ist dein südländischer Fatalismus.«
»Was hast du getrunken?« fragte ich.
»Nur Bier. Ich trinke von Zeit zu Zeit, ob es dir paßt oder nicht. Wenn mich etwas nervös macht. Andere rauchen oder schnupfen Koks. Ich trinke, das ist eben so, jeder hat sein Laster.«
Seine Stimme klang gereizt. Ich wußte genau, daß Martins Zorn eigentlich mir galt.
Es war sieben, als die Passagiere nach Thessaloniki aufgerufen wurden.
Wir schnallten unsere Rucksäcke um, machten uns auf den Weg zur Paßkontrolle. Wir legten die Rucksäcke auf den Rollteppich. Müde, überreizte Beamte musterten uns gleichgültig. Die Rucksäcke wurden durchleuchtet, kamen auf der anderen Seite der Maschine wieder zum Vorschein. Wir gingen durch den Metalldetektor, ohne daß das Piepsen ertönte. Wir passierten eine Glastür, vor der ein altmodischer Bus wartete.
Wir fuhren über das Gelände, in einer Menschentraube eingepfercht. Dann liefen wir ein paar Schritte bis zum Flugzeug. Ein chaotischer Haufen menschlicher Körper drückte sich schnaufend und unaufhaltsam die schmalen Stufen empor, in den leuchtenden Rumpf der Maschine. Dort saßen wir nun und warteten auf das Startsignal, das nicht kam. Martin rekelte umständlich seine langen Beine, ein übermüdetes Kind kreischte.
Ein alter Mann spielte mit seinen »Komboloi«, ließ unentwegt die Armbandkette mit den Bernsteinkugeln leise klirrend in seiner Hand kreisen. Die Zeit verging, die Maschine traf keine Anstalten zu starten.
Offenbar war wieder etwas nicht in Ordnung. Von Zeit zu Zeit wanderte der Steward durch den Gang und verschwand wieder im Cockpit. Die Kabinentemperatur stieg. Als die Schrift Fasten seat belts please aufleuchtete, war es viertel vor neun. Martin lehnte sich zurück, das Gesicht mit einem leichten Schweißfilm überzogen.
»Jetzt fehlt nur noch, daß eine Bombe losgeht.«
Mein Vater hatte mir mal gesagt, um einen Menschen richtig kennenzulernen, müßte man mit ihm auf Reisen gehen.
»Warum bist du so schlechter Laune?« fragte ich.
Er machte die Augen auf.
»Habe ich vielleicht keinen Grund dazu?«
»Du kannst die Dinge nicht ändern.«
»Deine Gemütsruhe möchte ich haben.«
Dann schwiegen wir wieder. Es schien mir nicht notwendig, daß wir redeten. Das Triebwerk summte gleichmäßig. Ein Mann neben mir rauchte eine Zigarette nach der anderen. Eine einheimische Marke, die entsetzlich stank. Der Dunst machte mich schläfrig. Der Steward servierte Getränke.
Martin wollte Whisky haben. Der Steward goß zwei Fingerbreit in das Glas, fügte Wasser hinzu. Martin trank, verzog das Gesicht.
»Der Whisky ist schlecht.«
Der Mann neben mir drückte die Zigarette aus, zündete sich die nächste an. Ich drehte den Kopf auf die andere Seite.
Die Maschine landete in tiefer Dunkelheit. Jetzt wünschte ich nur, daß alles
Weitere Kostenlose Bücher