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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ihn herangetragen wurde. Versuche, in die Vergangenheit einzutauchen, lehnte er ab. Bauten und Denkmäler waren für ihn sehenswert, wenn sie aus der Gegenwart stammten. Er hatte eine Vorliebe für das Postmoderne.
    »Und wenn schon«, erwiderte ich. »Meer, Wind und Erde werden immer dasein. Und ich bin ein Stück von diesen Dingen. Das beruhigt mich sehr.«
    Er grinste und wies auf ein Dutzend Japaner, die sich vor dem Tempel der Athena Nike mit lebhaften, höflichen Verbeugungen gegenseitig fotografierten.
    »Glaubst du, die denken an das ewige Leben?«
    »Wer weiß?« sagte ich.
    Martin hörte nicht die Stimmen aus den Tiefen der Zeit. Er wollte sein Leben vor dem Einbruch des Geheimnisvollen schützen. Was er begriff, folgerte er durch logische Schritte in seinem Kopf. Ich jedoch hörte andere Botschaften, sah andere Sinnbilder. Ich sendete ihm Signale, die er nicht verstand. Ich sendete sie, ohne es zu wollen, sie kamen von mir, ohne jeden Einfluß von außen. Da verspürte er Unbehagen, das machte ihm angst.
    Die Sonne sank, der Himmel schimmerte aprikosenfarbig. Die Wächter
    – freundliche, braungebrannte ältere Männer – begannen geduldig ihre Runden; das Publikum strömte zum Ausgang. Nachts wurde das Gelände geschlossen; die Geister blieben unter sich, sammelten Kräfte aus Sternenlicht und Mondglanz. Sie tranken den Morgentau und begrüßten die Sonne mit weißen Marmorlippen. Ihr Leben währte sehr lange. Ich fühlte mich als ein Teil von ihnen, wie beschützt. Aber das konnte ich Martin nicht sagen.
    Später aßen wir in einer Taverne in der Plaka. Wir bestellten Hammelfleischspießchen, überbackene Tomaten, mit Reis gefüllte Weinblätter. Dazu einen dunklen, sehr süßen Wein. Martin trank viel davon, was ihn gesprächig machte. Wir unterhielten uns über die Kneipe, über die Bouzouki-Musik im Hintergrund. Martin fand den Ort zu originell, um echt zu sein: eine Touristenfalle! Mir gefielen diese Tavernen, ich sah sie als eine Art Zusammenfassung des Landes, als lebendiges Bilderbuch.
    Ich bemerkte die achtungsvolle Freundlichkeit des Wirtes, das spontane Lächeln des Kellners. Martin sah das anders, sprach von Halsabschneiderei und faulem Zauber.
    »Die wollen uns ja nur das Geld aus der Tasche ziehen!«
    Ich brachte es nicht fertig, mich darüber aufzuregen.
    »Ist das nicht überall so?«
    »Mir scheint es hier besonders schlimm. Sie verkaufen uns ihre Ruinenfelder wie Kitschwaren in Souvenirläden. Überall die gleiche please, come und look -Methode! Den Griechen wird es offenbar schwindlig von all den Drachmen, die man im Tourismus verdienen kann.«
    Ich fing jetzt an, die Geduld zu verlieren; sein Urteil war nicht nur voreilig, sondern ungerecht.
    »Ich sehe das nuancierter. Gastfreundschaft wird ebenso oft mißbraucht wie mit Berechnung eingesetzt. In Griechenland sagt man schnell du zueinander, was nicht viel heißen will. Aber wenn man wirkliche Freunde hat, kann man sich auf sie verlassen. Selten habe ich so nette und hilfreiche Menschen gekannt wie die Griechen.«
    »Oh, sie waren sicher nett zu dir, weil sie dir etwas verkaufen wollten.«
    Ich mochte es nicht, wenn er diesen Ton anschlug, wenn sein weicher amerikanischer Akzent plötzlich schnoddrig und derb klang.
    »Trink nicht zuviel, Martin. Griechischer Wein ist tückisch.«
    Er schnalzte mit der Zunge.
    »Ich habe Durst.«
    »Das kommt von dem Staub. Du solltest zwischendurch Wasser trinken.«
    »Dann berechnen sie uns das auch noch. Ich bleibe beim Wein.«
    Als wir uns auf den Weg zum Hotel machten, sagte ich:
    »Du scheinst einen wegzuhaben.«
    Er stolperte und hielt sich an meinem Arm fest.
    »Ich glaube, du hast recht. Ich hätte Wasser trinken sollen.«
    »Na, komm schon«, sagte ich.
    Sein Arm hing schwer an meinem, und manchmal schien es, als zerrte ich den Mann hinter mir her. Ab und zu mußte ich stehen bleiben, um Atem zu schöpfen. Einmal sagte ich: »Paß auf, wo du hintrittst«, aber er schien mich nicht einmal zu hören. Alle Restaurants waren überfüllt; Musik schallte aus Bars und Cafes. Die Griechen liebten das Nachtleben, der Verkehr würde erst lange nach Mitternacht weniger werden. Vor dem Hotel stolperte Martin wieder. »Das war eine Stufe«, sagte ich. »Heb doch deine Füße hoch.«
    Im Zimmer zog Martin seinen Pullover aus.
    »Herrgott, ist das eine Hitze! Ich brauche noch was zum Nachtrinken.«
    Er machte sich an der Mini-Bar zu schaffen.
    »Ein Whisky wäre nicht schlecht. Hier ist sogar Eis. Trinkst

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