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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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unbefangen weitermachen.«
    Ich fühlte, wie ich innerlich zitterte. Auf einmal erschien er mir überhaupt nicht mehr kindlich. Er war auch nicht abgebrüht, durchaus nicht. In seiner Gelassenheit lag etwas Zeitloses, das mich einhüllte und beruhigte. Doch nun stellte er eine andere Frage:
    »Sagen Sie mal… wie kamen Sie ausgerechnet in dieses Cafe?«
    Ich erwiderte sein Lächeln.
    »Zufall!«
    Er hob ironisch die Brauen. Wir verstanden uns auch ohne Worte. Es war wirklich ganz außergewöhnlich.
    »Ich nehme an, wir hatten eine Verabredung.«
    Es sollte scherzhaft klingen. Wir blickten einander an. Unser Lachen erlosch fast gleichzeitig.
    »Ach, glauben Sie das wirklich?« sagte ich.
    Er verzog leicht die Stirn.
    »Haben Sie das nicht auch so empfunden?«
    Ich nickte langsam.
    »Vielleicht, vielleicht nicht.«
    Er sagte nichts darauf. Ich blieb ebenfalls stumm. In unserer Stille lag Einverständnis. Es schien, als kenne er meine Antworten im voraus; mir war wie im Traum. Nicht die ganze Situation, sondern seine Gelassenheit war daran schuld, daß ich so verwirrt war. Sein Blick ließ mich die Welt meiner eigenen Gedanken vergessen, die sich so lebendig in mir regte.
    Diese Welt hatte nicht aufgehört zu bestehen. Sie war in Unordnung geraten. Den neuen Zustand konnte ich nicht beurteilen.
    »Und was machen Sie hier?« brach er endlich das Schweigen.
    Ich wollte meinem Herz Zeit geben, sich zu beruhigen.
    »Eine junge Frau, mit der ich früher im Internat war, stammt aus Langada, einer Ortschaft ganz in der Nähe. Dort feiern sie ein Fest. Morgen findet der Höhepunkt statt. Wir hätten bei ihren Verwandten übernachten sollen. Aber Martin wollte nicht. Wir fuhren zurück ins Hotel, und jetzt ist mein Wagen kaputt.«
    »Martin?«
    »Mein Freund«, sagte ich. »Er ist Fotograf und arbeitet für amerikanische Zeitschriften.«
    »Klingt aufregend.«
    »Ist es aber nicht. Er macht brillante Fotos, richtet seine Aufmerksamkeit aber nur auf äußere Dinge. Tiefer geht er nicht. Für ihn existiert kein Mysterium. Er will vernünftig sein.«
    »Wozu?«
    Ich lachte leise vor mich hin.
    »Gute Frage! Ja, wozu? Ich glaube, daß er Angst hat.«
    Manuel hob sein Glas zum Mund.
    »Man kann die Welt nicht sehen, ohne sich selbst zu sehen. Man braucht dafür viel Mut. Und was macht er jetzt?«
    Ich hielt es für das beste, ihm die Wahrheit zu sagen.
    »Er sucht sich wieder aufzuraffen. Wir haben uns getrennt. Es war nicht sehr ernst zwischen uns. Mir ist das auf einmal klar geworden.«
    »Erzählen Sie mir von dem Fest«, bat er.
    »Es kommt aus der Frühgeschichte. Diese Menschen hier sie sind anders. Sie werfen sich nicht vor ihren Göttern auf den Boden. Sie flehen sie auch nicht an und sagen, sie seien unwürdig. Sie halten Ikonen in den Armen und tanzen. Ihre Träume kommen ohne jede Hilfe zu ihnen, durch ihre Vorstellungskraft…«
    Sein klarer, eindringlicher Blick ruhte auf mir.
    »Ja, ich verstehe.«
    Er versteht es wirklich, dachte ich. Es ist nicht nur eine Redensart.
    »Und dann?« fragte er, als ich schwieg.
    Seine Stimme klang verhalten. Ich spürte, wie er seine Ungeduld behutsam zügelte. Er gab mir ein Gefühl, als ob er einen Gegenstand suchte, von dem er genau wußte, daß er ihn bei mir finden würde.
    »Zwischen ihnen und diesen Ikonen gibt es ein Geheimnis. Sie tanzen und riechen wie die Erde, wenn es geregnet hat. Sie träumen…«
    »Durch Träumen gelangen wir zur Weisheit.«
    Ich starrte ihn an.
    »Woher wissen Sie das?«
    Er lächelte.
    »Erzählen Sie weiter.«
    »Jeder von ihnen tanzt und träumt auf seine eigene Weise. Und morgen werden sie mit den Ikonen über glühende Kohlen wandern und sich nicht verbrennen.«
    Er nickte, ohne die geringste Überraschung zu zeigen.
    »Ja, ich weiß. Feuer kann man zähmen.«
    Ich fuhr zusammen. Ich hatte plötzlich ein ganz unwirkliches Gefühl.
    Jetzt konnte alles mögliche passieren.
    »Hat das etwas mit Ihnen zu tun?«
    Er lächelte etwas sonderbar. Es war etwas an ihm, für das ich schwer eine Bezeichnung finden konnte, ein Licht in seinen Augen und zugleich eine Abwesenheit.
    »Habe ich gesagt, daß es etwas mit mir zu tun hat?«
    Eine Sekunde lang wurde mir schwindlig. Ort und Zeit gerieten durcheinander. Vielleicht war alles nur eine Täuschung, und er hatte von etwas ganz anderem gesprochen. Aber ich wußte, daß ich nicht geirrt hatte.
    Die Welt schnellte zurück an ihren Platz. Im Cafe war es still geworden; der Wirt hatte die Cassette abgestellt. Die

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