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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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so nahe, daß ich fast ihre Finger berühren konnte. Nun lächelte sie. Ihr Lächeln war bezaubernd. Ich hatte nicht mehr in der Erinnerung, wie hübsch sie gewesen war. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
    Doch schon verblaßte ihre Erscheinung, ich sah sie nur in Umrissen. Ich hatte nicht die Frage gestellt, die ich stellen wollte – die wichtige, die wesentliche Frage.
    »Buona notte, Piccina!«
    »Geh nicht weg, Nonna! Ich möchte wissen…!«
    Alles ging viel zu schnell, sie war schon so fern. Sie würde mir keine Antwort geben.
    »Nonna!«
    In meinen Ohren war eine Art Druck, ein seltsames Summen. Plötzlich gab es einen Knacks in meinem Trommelfell, das Summen platzte wie eine Blase. Ich hörte Stimmen, fühlte Bücke. Unter den Füßen spürte ich kleine, splitternde Geräusche, etwa, wie wenn man an einem frostigen Morgen über eine dünne Eisschicht geht. Mit dem Unterschied, daß der Boden warm war und an manchen Stellen Funken verglühten. Kein Eis also, sondern Asche. Irgendwie würde es dafür schon eine vernünftige Erklärung geben. Einen Augenblick später hatte ich sie auch. Ich fühlte einen leichten Schock, einen Aufschwung wie ein Schwimmer, der aus einer Tiefe emportaucht. Aha. So übel hast du dich gar nicht angestellt, Ariana. Warum starren dich die Leute nur so an? Ein Mann machte den Mund weit auf; ich wußte nicht, ob er nach Luft schnappte oder mir etwas zurief. Ich nickte ihm zu, ohne großes Interesse. Nein, es hat nichts mit Magie oder so etwas zu tun – obwohl, vielleicht… Na schön, meinetwegen. Ich wandte mich ab.
    Auf einmal war in meinem Kopf alles leichter. Eine seltsame, helle Seligkeit erfüllte mich. Der einzige Schmerz, den ich spürte, war ein Ziehen in den Kniekehlen.
    Mit einem Seufzer der Erleichterung machte ich ein paar Schritte; da merkte ich, daß unter meinen Fußsohlen Steinchen klebten. Sie störten mich beim Gehen. Ich humpelte beiseite, hielt mich an der Schranke fest und hob erst den einen, dann den anderen Fuß an mein Knie, so daß ich sie betrachten konnte. Beide Fußsohlen waren grau vor Asche, ohne die kleinste Brandblase. Ich strich die Steinchen mit der Hand weg, als ein Schatten auf mich fiel und Anghelina wie ein Geist neben mir auftauchte.
    »Ich hätte das vielleicht nicht tun sollen«, sagte ich zu ihr.
    Anghelinas Haar war zerzaust, auf ihren Wangen klebte Asche. Sie duftete nach gewürztem Honig und Feuer und ganz leicht nach »Paris«. Ihr Gesicht sah seltsam ausgeruht und erfrischt aus; nur ihre Pupillen, eigentümlich glänzend, waren fast um das Doppelte geweitet. Ich erlebte einen kurzen Augenblick der Verwirrung: Ob man wohl auch bei mir diese Besonderheit feststellte? Bestimmt nicht. Oder vielleicht doch?
    »Eleni hatte uns gesagt, daß du es kannst.«
    Anghelinas Stimme kam mir wunderbar hell vor. Auf ihren Zügen lag die Zuneigung, die ein halbes Lächeln begleitete.
    »Ganz ehrlich, ich hatte es nicht vorgehest«, sagte ich, etwas verlegen.
    »Und dann war es wie… ich weiß nicht, wie.«
    Sie blinzelte schelmisch.
    »Da konntest du nicht widerstehen.«
    »Nur so zum Vergnügen.«
    Anghelina ordnete mit den Fingern ihr wirres Haar.
    »Schrecklich, wie man dabei schwitzt! Es war nicht das erste Mal, nicht wahr?«
    »Nein.«
    Sie tätschelte mütterlich meinen Arm.
    »Komm!«
    Die Anastenariden hatten sich um einen kleinen Steinbrunnen versammelt und wuschen sich die Füße, bevor sie wieder in ihre Schuhe stiegen. Von Neugierigen begafft, von dem Flackern der Blitzlichter geblendet, bewahrten diese Menschen eine völlige Unbefangenheit. Wie kam es nur, daß die Gewalt des Erlebens sie mit solcher Fülle durchströmte? Diese stämmigen Bauern, mit plumpen Händen und Füßen, aber glanzäugig noch von der Verzückung, verbargen ihr Geheimnis weder im Dunkel noch in einem Licht, das für menschliche Augen zu hell war.
    Für ihr Wesen ließ sich schwer eine Bezeichnung finden; sie waren zugleich warmherzig und geringschätzig jedem gegenüber, der nicht war wie sie. Sie hatten allen Grund dazu, denn ihr Wissen reichte mehr als tausend Jahre zurück. Mich begrüßten sie wie eine Tochter, in der Fremde aufgewachsen, die in den Schoß ihrer Familie zurückfindet. Es war wie ein Faden, der uns zusammenband; und jeder von uns hielt ein Ende des Fadens in der Hand. Der Reihe nach zogen mich die Frauen in ihre weiche, erhitzte Umarmung; ihr Geruch war intensiv, nicht unangenehm und auf besondere Art feierlich; er erinnerte mich an die

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