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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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25. KAPITEL

    M itte Juni war ich wieder in Paris. Mein Flugzeug landete mit zwei Stunden Verspätung in Roissy; von dort aus nahm ich ein Taxi. Das Wetter war hochsommerlich, die Kastanienbäume trugen schon große, dunkle Blätter. Der Verkehr brauste mit anderen Geräuschen als in Athen, die Häuser hatten eine andere Farbe, die Schieferdächer glänzten, die Rasen und Parks waren grün und gepflegt. Gärtner harkten die Sandwege. Sonst war alles unverändert: Staub, Gas, Gedränge auf den Fußgängerstreifen.
    Man trug Sommerkleider, Shorts, bunte T-Shirts.
    Rollschuhläufer schossen aus der Menge hervor, stießen in das Netz der Autos und Fußgänger, geschmeidig wie Fische im Wasser. Ich lehnte mich zurück, verschwitzt und müde. Ein Schleier verklebte meine Augen, mein Gepäck roch nach Kerosin. Ich konnte nicht sagen, wie ich mich fühlte.
    Einsam mochte das richtige Wort sein. In Paris erwartete mich niemand.
    Carmilla? Was sollte ich Carmilla schon sagen? Unsere Welten hatten sich voneinander entfernt. Ich wünschte nicht mehr, sie zu verstehen. Sie tat mir leid, und sie brachte mich an den Rand der Rücksichtslosigkeit. Eleni? Ja, Eleni wollte ich sehen. Aber nicht heute. Morgen. Wenn ich wieder einen klaren Kopf hatte.
    Der Fahrer drehte das Radio an. Die Nachrichten. Das Wetter: weiterhin warm und sommerlich. Der Fahrer suchte meinen Blick im Rückspiegel.
    »Ein phantastisches Wetter ist das! Schon vierzehn Tage Sommer!«
    »Toll!« sagte ich.
    Gutgelaunte Taxifahrer waren eine Seltenheit in Paris.
    Wir fuhren an der Ile St. Louis vorbei. Die Seine glitzerte wie blaues Mosaik, mit dem Gesprenkel der Häuser und Bäume, den gemächlich dahinziehenden Lastkähnen, den Bücherständen am Kai. Die Vergangenheit fiel auf mich herab, aus dem Unsichtbaren, hüllte mich ein.
    Man erlebt sie wie den Schmerz einer längst verheilten Wunde. Meine Vergangenheit war aus vielen Bruchstücken zusammengesetzt, jedes einzelne hatte seinen besonderen Schmerz. Ich wäre lieber ein Mensch ohne Vergangenheit gewesen und schloß eine Weile die Augen.
    »Place de Contrescarpe«, sagte der Fahrer. »Da kommen wir gut hin, um diese Zeit.«
    Ich schleppte mein Gepäck die Treppe hinauf, zuerst den Rucksack, dann den Koffer. Auf halber Höhe mußte ich den Koffer abstellen, so steil war die Treppe. Die Wohnung war still, oberflächlich aufgeräumt, angenehm. Es roch nach eingeschlossener Luft. Ich zog die Rolladen hoch, ließ Sonne herein. Im Badezimmer war keine Überschwemmung, es hatte auch nicht zum Fenster hereingeregnet. Nur die Topfpflanzen waren vertrocknet; ich gab ihnen Wasser. Der Kühlschrank war leer. Ich ging zur Epicerie gegenüber, kaufte Obst, Milch, Butter, Schinken, Orangensaft, zwei Apfeltaschen und ein Baguette. Auf dem Rückweg holte ich meine Post, gab der Hausmeisterin ein großzügiges Trinkgeld. Sie fragte, ob ich mich im Urlaub gut amüsiert hatte. Ich sagte, es war Arbeit. Sie kniff ein Auge zu.
    »Wetten, daß ein bißchen Urlaub dabei war?«
    Ich lachte und antwortete irgend etwas; mit Hausmeistern muß man auf gutem Fuß stehen. Wieder in der Wohnung, stellte ich die Kaffeemaschine an. Während sie lief, sah ich die Post durch. Rechnungen, Prospekte, Postkarten von Bekannten. Einladungen zu einer Vernissage, zu einem Vortrag über den vulkanischen Ursprung der Tsunami, eine Mitteilung vom Institut über den Einkauf von neuem Büromaterial. Keine Post von dir. Du und ich, wir schreiben uns nie. Wir haben das nicht nötig, nicht wahr, Amadeo? Ich wartete, bis das Wasser durchgelaufen und der Kaffee fertig war. Ich goß mir eine Tasse ein; dann trat ich vor meinen Futon, betrachtete Quasimodos Bild über dem Kopfkissen. Der Rappen sprang durch die Flammen, er bewachte meinen Schlaf, durchschaute meine Verlassenheit mit der Scharfsinnigkeit der Dämonen. Ich hob ihm lächelnd die Tasse entgegen.
    »Sei gegrüßt. Da bin ich wieder!«
    Meine umherwandernden Blicke fielen auf die Sachen von Martin, die noch da waren: eine Tasche, ein paar Schuhe, ein zerknittertes Hemd und zwei Pullover. Ein unangenehmes Gefühl, verurteilend und abwertend, stieg in mir auf. Weg mit dem Zeug! Gleichjetzt, noch bevor ich eine Dusche nahm und mich schlafen legte. Ich durfte auch nicht vergessen, den Futon frisch zu überziehen. Das letzte Mal hatte ich mit Martin in den Laken geschlafen. Ich wollte seine Erinnerung auslöschen, die letzten Spuren seiner Gegenwart aus meinem Leben schaffen. Rasch trank ich meinen

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