Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
den Kies, dann durch das Tor die Straße hinauf, zu den Feldern. Wir wanderten Hand in Hand, ich mit bloßen Füßen, wie früher als Kind. Kleine Steinchen klebten unter meinen Fußsohlen. Bald erreichten wir die ersten Wiesen; hier waren die Gräser glänzend vor Tau und beruhigend kühl. Die ganze Landschaft wirkte auf mich wie eine Collage aus fremden Bildern, die alle irgendwie mit Zwillingsbildern in meiner Erinnerung verbunden waren, aber keinen Sinn mehr ergaben. Man hatte Wege für Maschinen angebracht, alle kleinen Trockenmauem waren abgerissen worden. Jahrhundertealte Maulbeerhaine hatten Obstplantagen weichen müssen. Montereale Celina dehnte sich nach allen Seiten aus, Mietshäuser überzogen das Land, dazwischen kleine Bauernhöfe aus Stein, die ziemlich verfallen wirkten. Mit jedem Schritt wurde es heller, der Morgen kam fast sprunghaft. Ein Fels färbte sich rosig, ein einzelner nur, und schimmerte im Licht, während Nebel die Bergschluchten füllte. Er erinnerte mich an Wasser, das in traumhafter Langsamkeit in Steinbecken schwappte. Bald hoben sich die Dämpfe. Von den Bergen wehte ein leichter Wind, mit dem würzigen Aroma der Pinien. Die Sonne glitt hinter dem Bergkamm hervor; ihre Strahlen erreichten den Talgrund, wo sie das weiße Netz des Flughafens erleuchteten. Wie dunkle Motten klebten Flugzeuge auf den Landepisten. Das sirrende Echo der Hähne, weitschwingend von Tal zu Tal, erstickte im Rattern der Traktoren. Auf der kurvenreichen Straße dröhnten die ersten Lastwagen; die Windschutzscheiben blinkten. Eine Lerche glitt über die Gräser in den feuchten Schatten der Obstbäume. Meine Wurzeln lagen hier, in diesem Flecken Erde; aber in dieser Nacht hatte ich sie herausgerissen. Ich sagte zu Manuel:
    »Ich werde nie wieder zurückkommen.«
    Er legte den Arm um mich.
    »Es hat keinen Sinn. Sie ist nicht mehr hier.«
    Ich wußte, daß er von Nonna sprach, und schmiegte meine kalte Wange an seine. Nur mühsam kamen die Worte über meine Lippen.
    »Wo ist sie denn, Manuel?«
    Er wandte den Kopf; unsere Blicke trafen sich. Er lächelte mich an.
    »Sie ist dort, wo du auch bist, Querida.«
    Eine Stunde später setzte uns Lina einen wunderbar starken Kaffee und selbstgebackene Panini vor. Sie wohnte in einem alten Haus mit Schieferdach, inmitten eines kleinen Gemüsegartens. Ein Maulbeerbaum beschattete eine steinerne Bank. Hühner scharrten nach Futter, eine Katze putzte sich in der Sonne. Es roch nach Schnittlauch und reifen Tomaten. Im Haus sorgte Durchzug für angenehme Kühle. Der Boden war gewischt worden, und alle Möbel waren spiegelblank poliert. Wir saßen auf einer Couch vor einem niedrigen Tisch mit Glasplatte. Auf dem Fernseher lag ein weißes Deckchen, handgestickt. Darauf standen eine Vase mit zwei alten Wachsrosen und eine kleine Statue der Madonna del Monte, aus Messing.
    Lina, in langem Rock und Pullover von verblichenem Schwarz, trippelte mit kleinen Schritten hin und her, bewegte Tassen, Schalen, Körbchen. Sie war so zusammengeschrumpft, daß ich sie fast nicht wiedererkannt hätte.
    Als ich sie umarmte, hatte ich den Eindruck, ich dürfe sie nicht zu kräftig drücken, um ihr nicht die Knochen zu brechen. Ihr Haar war dünn und fast völlig ergraut, doch ihre dunklen Augen blitzten lebhaft wie immer. Auch Manuel bekam von ihr einen Kuß. Ich erzählte ihr, daß wir zusammenlebten, was Lina nicht aus der Ruhe brachte; sie meinte lediglich, daß Manuel wie ein Sizilianer aussah, worauf wir herzlich lachten. Ich erzählte ein wenig aus meinem Leben; sie wollte auch wissen, wie es Carmilla ging. Dann sprachen wir über Casa Monte.
    »Ma che brutta cosa! – Wie schade, daß dein Papa das Gut verkauft hat«, klagte Lina. »Aber ich verstehe ihn ja, so ein Haus muß unterhalten werden. Der Garten ist schon ein Urwald. Ich habe keine Kraft mehr, auf den Knien zu liegen und Unkraut zu rupfen. Mein eigener Garten macht mir Arbeit genug. Ich hole nur noch das Fallobst. Und dann die Steuern!
    Die hohen Herren der Regierung ziehen uns jede Lira aus der Tasche, diese furbi! «
    Lina zeigte mit Vehemenz auf den Bildschirm, wo besagte furbi –
    Schlaumeier – offenbar häufig in Erscheinung traten.
    Dann wurde sie wieder ruhig und nickte mir teilnahmsvoll zu.
    »Tut es dir sehr leid, Bambina?«
    Ich schluckte.
    »Am Anfang schon, jetzt weniger. Ich habe mich damit abgefunden.«
    »Ma, e cosi! – So ist es eben!« seufzte Lina.
    Ihre beiden Neffen, Luigi und Franco, würden die Möbel mit

Weitere Kostenlose Bücher