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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Etnea mit seiner schönen Barockkirche war schon mehrmals in Gefahr gewesen, vom Ätna verschlungen zu werden.
    »Sie sollten lieber die Amerikaner in Bereitschaft setzen«, meinte Alain, die Lippen sarkastisch verzogen.
    »Gebete sind nicht überflüssig«, sagte ich.
    Alain grinste.
    »Hubschrauber sind nützlicher.«
    Beim Ausbruch von 1992 hatte eine Spezialeinheit der US-Marine, von Helikoptern unterstützt, den Lavastrom mit Zementblöcken aufgehalten.
    »Gott weiß, wann es losgeht«, entgegnete ich. »Die Amerikaner nicht.«
    Wir betrachteten die seismischen Meßwerte, die uns das Institut für Geologie der Universität Catania täglich übermittelte. Tatsächlich zeigte sich eine erhöhte Tätigkeit der Druckstöße, die sich mit visuellen Beobachtungen deckte.
    »Alle sieben seismischen Stationen am Ätna arbeiten auf Hochtouren«, frohlockte Alain. »Der große Showdown kommt bestimmt!«
    »Mäßige deine Ungeduld«, sagte ich. »Vulkane sind launische Primadonnen.«
    Abends erzählte ich Manuel von unserem Gespräch. Ich sprach gern mit Menschen, die zuzuhören verstanden, eine Eigenschaft, die Manuel besonders lag.
    »Für Alain sind Wissenschaft und Religion fundamental voneinander verschieden. Die Bedürfnisse der Durchschnittsmenschen mißachtet er, weil sie nicht rational sind. Ich finde das eine merkwürdige Art von Hilfsbereitschaft.«
    »Gebete sind Autosuggestion, ein Akt der Notwendigkeit«, antwortete Manuel. »Wer von Katastrophen verschont bleibt, hat im allgemeinen nicht das Bedürfnis zu beten. Aber sobald sie erschrocken ist, kehrt unsere Gattung zu den Anfängen zurück. Kein Glaube an die Wissenschaft vermag Urängste zu bannen.«
    Ich nickte.
    »Es sieht ganz so aus. Menschen, die ihr Leben als provisorisch empfinden, stärken ihre Abwehrkräfte auf natürliche Art, ohne sich beim Analytiker auf die Couch zu legen. Sie verfügen, meine ich, über eine bessere geistige Hygiene.«
    Manuel wollte wissen, ob die Gefahr einer Eruption tatsächlich bestand.
    Ich sagte, daß uns das Institut in Catania ständig Aufzeichnungen schicke.
    »Sehr wahrscheinlich kommt es zu einem Flankenausbruch.«
    »Wann?«
    »Das bringt kein Meßinstrument in Erfahrung. Alain kaut schon an seinen Nägeln vor Aufregung. Aber der Ätna ist über lange Zeiträume aktiv und unberechenbar wie das Wetter.«
    »Fährst du hin, wenn es losgeht?«
    »Ich glaube schon.«
    »Vielleicht komme ich mit«, sagte Manuel. »Auf eigene Kosten, natürlich. Ich würde mir gern Lavastrukturen ansehen und in Ton umsetzen.«
    »Großartig!« sagte ich. »Ich werde dir Handschuhe aus Asbest besorgen. Die kriegen wir im CNRS gratis.«
    Manuel arbeitete täglich in seiner Werkstatt; es kam sogar vor, daß er dort schlief. Er war ein Mensch, der das Alleinsein ebenso gewohnt war wie ich; der das Alleinsein brauchte. Doch der Gedanke an ihn, auch wenn er nicht da war, stimmte mich freudig für den ganzen Tag. Manuel wirkte in seiner Abwesenheit fast noch stärker als in seiner Anwesenheit. Mich wunderte, daß ich mich aus irgendeinem Grund an so viele angenehme Dinge mit ihm erinnerte: Kinoabende in der Cinematheque, ein Sonntagnachmittag im Musee d’Orsay, Seiji Ozawa in der Salle Pleyel, eine Oper von Rameau in der Salle Favart; oder andere Abende, wo wir einfach zu Hause blieben, uns etwas kochten und stundenlang über alles mögliche redeten. Wir hatten uns immer viel zu erzählen. Ich dachte an das freudige Gefühl, wenn ich abends aus dem Institut kam, Licht in meiner Wohnung sah und die Gewißheit hatte, daß er schon da war und auf mich wartete.
    Wir luden Eleni und Jorge zum Essen ein. Manuel kochte mexikanisch, alles war mit roten, scharfen Pfefferschoten gewürzt. Eleni brachte selbstgemachte, von Honig triefende »Kadaifi« mit. Manuel und Jorge verstanden sich auf Anhieb, unterhielten sich den ganzen Abend auf spanisch. Jorge war so schlicht und aufrichtig wie Manuel, beide entdeckten viel Gemeinsames und sprachen miteinander, als ob sie schon jahrelang befreundet waren. Jorge wollte wissen, ob Manuel manchmal Sehnsucht nach Mexiko hatte.
    Manuel lächelte.
    »Ja, das kommt vor. Aber es ist eine Sehnsucht wie nach anderen Orten, die mir gefallen haben.«
    »Fiel es dir nicht schwer, dich von allem dort zu trennen?«
    »Ich trenne mich nicht von den Dingen, die ich liebe«, sagte Manuel.
    »In der Sprache meines Volkes – der Nahuatl – nennen wir das Paradies Cuautla. Und in unserer Vorstellung mag Cuautla eben bloß der

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