Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
negativen Symbolen behaften, werten sie in der Politik, in den Medien und im täglichen Leben aus. Fabrizierte Ängste sind profitbringend.«
    Ich nickte, mit einem Kloß in der Kehle.
    »Was willst du machen? Freiheit und Andersartigkeit erregen Anstoß!
    Die Angst vor den Romanos ist ebenso irrational und vielschichtig wie früher die Angst vor den Katzen, den Eulen und den Frauen, die ja bekanntlich alle Hexen waren.«
    Wir lachten beide, aber ohne Fröhlichkeit. Manuel fragte:
    »Wie ist es denn in Südfrankreich?«
    »Besser als anderswo. Hier nennt man die Romanos die Boutnians.
    Viele leben noch in Wohnwagen, sind aber seßhaft geworden und schicken ihre Kinder zur Schule.«
    »Und Amadeo?« fragte Manuel.
    »Er hat in Les-Saintes-Maries ein Mas gekauft, ein kleines Landgut, damit sich die Pferde dort ausruhen und weiden können. Er hat ein paar Gardians – Viehhirten –, die für ihn arbeiten. Alle sind Boumians. Von Gadschos will er nichts wissen.«
    »Wo gastiert jetzt sein Zirkus?«
    »In Marseille. Aber zweimal im Jahr, im Mai und Oktober, findet das Fest der ›Schwarzen Sara‹ statt, sie ist die Schutzpatronin der Romanos.
    Amadeo kommt immer zu dem Anlaß. Er benutzt die Gelegenheit, um die Pferde zu trainieren.«
    Nach kurzem Zögern setzte ich hinzu:
    »Er selbst befolgt ja das ›Gesetz der Wölfe‹.«
    Manuel lächelte mich an.
    »Und was bedeutet das, Ariana?«
    »Daß er selbst zum Romano geworden ist. Das ist für einen Gadscho nur möglich, wenn ihn einer aus dem fahrenden Volk zum Blutsbruder macht.«
    »Hat er einen solchen Blutsbruder?«
    »Ja. Wassilio.«
    »Wer ist er eigentlich?«
    »Ein Kaku – ein Schamane, würdest du sagen. Er ist schon sehr alt. Die paar Dinge, die ich weiß, hat er mir beigebracht. Vor langer Zeit, Manuel.
    Und manchmal kommt es mir vor, als sei es in einem anderen Leben gewesen…«
    Ich stockte, biß mir auf die Lippen. Er nickte vor sich hin.
    »Ja, ich verstehe…«
    Die Landschaft verwandelte sich. Binsen und Sträucher wurden spärlicher. So weit die Sicht reichte, wirkte der Boden schmutziggrau, rissig und salzverkrustet.
    »Die Camargue ist eigentlich eine Insel«, erklärte ich. »Sie lebt von den Wasserströmungen und wechselt ständig ihre Form wie eine Fata Morgana.
    Diese weiten Flächen nennt man Sansouires. Siehst du die dunkelgrauen Büschel? Das sind Salicornien, Pflanzen also, die salzige Erde lieben. Hier wächst auch die lila Saladellenblume, das Wahrzeichen der Gardians… «
    Manuel legte die Hand auf mein Knie. Er schien weniger auf die Worte als auf den Klang meiner Stimme zu hören.
    »Wie sehr du diese Gegend liebst, Querida… «
    Ich spürte, wie meine Lippen zitterten.
    »Sie hat sich sehr verändert. Aber es gibt Gebiete, bei den großen Salzteichen, da scheint die Natur noch unberührt. Und so schön… wenn du nur wüßtest!«
    Noch während ich sprach, kam mir das bittere Gefühl, daß es vielleicht nicht stimmte; daß dieses Fleckchen Erde sich meinen Erinnerungen ebenso entzog wie Montereale Celina. Ich gebot diesen Gedanken Einhalt. Schluß damit, Ariana! Die Vergangenheit war stets wunderbar, weil man sich nur an das Schöne erinnerte. Außerdem bestand die Vergangenheit nicht aus Orten, sondern aus Menschen, die man geliebt hat oder immer noch liebte.
    Und alte Schatten sollte man ruhen lassen. Sie können sonst jene Kraft zerstören, die man braucht, um in der Gegenwart zu leben.
    Einige Schimmel weideten am Ufer eines Teiches. Es waren gedrungene Tiere, mit runden Rücken, struppiger Mähne und zottigem Haar. Sie hatten nicht die Eleganz gezüchteter Reitpferde, sondern etwas Schwerfälliges, Urtümliches, wie Kreaturen einer älteren, von dunkler Kraft erfüllten Welt.
    »Sie gehören alle zu einem Gestüt«, erklärte ich, »manche sind vollkommen ungezähmt. Ein Camargue-Pferd wird geritten, aber niemals vor einen Wagen gespannt. Sein Gardian sähe darin eine tödliche Beleidigung. Früher gab es deswegen Blutsfehden.«
    Immer breiter dehnte sich nun das angeschwemmte, flache Land aus, wo dunstige Luftspiegelungen bläulich schimmerten. Der rissige Boden beiderseits der Asphaltstraße glitzerte von Salzkristallen. Zwei rosa Flamingos glitten über einen Teich; ihre Flügel schlugen hoheitsvoll und gemächlich. Andere standen auf einem Bein; die Vögel sahen wie phantastische Blumen aus, die sich auf ihren Stengeln im Gleichgewicht hielten. Schwärme von Möwen kreisten in der blaugelben Luft. Bald begegneten wir einer

Weitere Kostenlose Bücher