Feuerfrau
des Windes und dazu ein rhythmisches, gedämpftes Trommeln: das Geräusch eines trabenden Pferdes auf dem Sand. Eine Weile lang saßen wir beide da. Manuel blickte an mir vorbei und blieb lange still. Er war etwas blaß geworden. Dann wandte er mir das Gesicht zu. Seine Züge waren glatt, wie erstarrt. Er hielt seine Gefühle im Zaum, doch nicht ganz, ich bemerkte es an der Art, wie er atmete. Eine Stumpfheit lag in seinen Augen, und der bittere Zug um seine Mundwinkel ließ ihn älter erscheinen, als er eigentlich war.
»Geh nur!« sagte er kehlig. »Ich komme gleich nach.« Ich streifte ihn mit einem verstörten Blick, nickte gedankenverloren. Ich empfand Scheu vor seiner Ruhe und kannte seine Seele nicht mehr. Auch ich war plötzlich fern von ihm, mittendrin in einer Welt, deren Bilder ihm nicht vertraut waren. Ich jedoch war in dieser Umgebung heimisch; ich liebte sie, fast leidenschaftlich, empfand die aufpeitschende Wirkung dieser Luft wie eine sexuelle Erregung, sie vermehrte meine Kraft. Ein Teil meiner Wünsche und Bedürfnisse waren hier entstanden. Und obwohl sich mein Herz allmählich von dem rasenden Pochen beruhigte, das eingesetzt hatte, als das Tor in Sicht kam, war ich mir dieser Entfremdung bewußt. Wortlos stieg ich aus; kühler Wind, mit dem starken Aroma von Pinien und Salz, strich über mein erhitztes Gesicht. Eine merkwürdige blinde Energie erfaßte mich, wies mir den Weg. Als ich mich mit steifen Schritten vom Wagen entfernte, spürte ich Manuels Blick im Rücken, wie eine Berührung.
Ich zwang mich, nicht zurückzuschauen.
34. KAPITEL
D as Klopfen der Pferdehufe klang im raschen, auf- und abschwellenden Rhythmus. In der Mitte des Hofes stand ein Mann, hochgewachsen und schwarzgekleidet; er hielt eine leichte Peitsche in der Hand und ließ einen Schimmel an einer Leine traben. Der Mann und sein verlängerter Schatten glichen dem Zeiger einer Sonnenuhr, während das Pferd mit wippender Mähne unermüdlich und graziös seine Kreise zog. Es war nicht gedrungen, wie die Camargue-Pferde es gewöhnlich sind, sondern auffallend hochgewachsen. Hals und Brust waren mächtig, die Beine sehr feingliedrig.
Der Schweif war so lang, daß er fast den Boden berührte. Ungebrochene Kraft und Feurigkeit gingen von seinen breiten Schultern, den fest gewölbten Flanken aus. Der Hals war in einer anmutigen Linie gebogen, und die Stirnlocke fiel zwischen den Augen, wie weiße Blütentrauben zwischen schwarze Kiesel. Ein Tier von einer solchen Schönheit, im frischesten Schmelz seiner vollen Kraft, seines Strahlens, kam mir wie ein Wunder der Natur vor, ein fleischgewordener Traum. Der Schimmel trabte regelmäßig, willig, mit leichtem Schnauben; es zeigte nicht den geringsten Widerwillen, nur geflügelte Anmut und Freude am Spiel. Sich langsam um sich selbst drehend, hielt Amadeo die Longe in den gelenkigen Händen.
Die Peitsche benutzte er nur, um das Tier zu führen, ihm den Rhythmus anzugeben. Manchmal fuhr er mit dem Riemen über den Rücken des Pferdes, als ob er es streichelte. Amadeo trug das schwarz-weiße Hemd der Gardians, schwarze Jeans und darüber Zahones – lederne Beinschützer mit Fransen, wie die andalusischen Reiter. Sein glattes, glänzendes Haar fiel über die breiten Schultern. Sein Gesicht war noch dunkler im Sonnenlicht, fast kaffeebraun. Außer ihm waren nur einige Kinder der Boumians anwesend, feingliedrig und gelenkig wie Zicklein. Jungen und Mädchen hatten zerzauste Lockenköpfe und pechschwarze, lebhafte Augen. Ihre Knie und Ellbogen waren grau vor Staub. Doch sie tobten nicht herum oder schrien, wie Kinder es sonst zu tun pflegen, sondern standen selbstvergessen da, von dem Pferd und der Dressurarbeit völlig fasziniert.
Als sie mich sahen, kam Leben in die kleine Gruppe. Sie tauschten Blicke, stießen sich mit dem Ellbogen an, hüpften nervös von einem Bein auf das andere. Amadeo, der bisher das Pferd nicht aus den Augen gelassen hatte, bemerkte plötzlich die Unruhe der Kinder und wandte den Kopf. Unsere Blicke trafen sich. Ein Aufleuchten ging über sein Gesicht; ich sah das weiße Aufblitzen der Zähne hinter den dunklen Lippen. Dann sah er wieder zum Pferd hinüber, stieß einige Pfeiflaute aus. Der Schimmel ließ ein Schnauben hören, verlangsamte seinen Trab und ging dann im Schritt.
Amadeo warf einfach die Longe auf den Boden, das ruhig gehende Pferd schleifte sie hinter sich her. Die Kinder lachten hinter vorgehaltener Hand, hockten sich nieder und starrten. Amadeo
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