Feuerfrau
übersetzt klingt es natürlich nicht so schön wie in unserer Sprache.«
»Ganz bestimmt nicht«, sagte Amadeo sanft.
Lola ließ das Taschentuch wieder in ihrem Ausschnitt verschwinden.
»Mich macht dieses Lied traurig, aber Coralie findet es lustig. Arme Kleine, sie kennt ja nur ihren beschissenen Rock und Rap, und wie das Zeug noch heißen mag. Ich weiß nicht, warum sie das Lied gerade jetzt singt, sicher hat sie den ›Kuckuckswein‹ getrunken.«
Amadeo und ich tauschten einen Blick und lächelten. Der
»Kuckuckswein«, sagten die Romanos, steigert die Manneskraft der Burschen und lockt die Mädchen in den Klee. Eine volle Sekunde blieb uns dieses Lächeln auf den Lippen. Dann verlosch es langsam; wir starrten uns an, nahmen auch Manuel in unser Blickfeld. Und genau wie zuvor in der Krypta flackerte das Verlangen zwischen uns auf, ein Verlangen, das Fleisch und Seele wegbrannte und selbst das Mark angriff. Ein paar Sekunden lang schauten unsere Augen, empfingen Eindrücke, ohne sie zu sehen; nur unsere Körper sprachen zueinander eine klare Sprache. Erst als Coralie plötzlich schwieg, schoben wir unsere Empfindungen beiseite: Es war ihr Blick, auf uns gerichtet, der uns weckte. Das Weiß ihrer Augäpfel leuchtete unter dem tiefdunklen Haar hervor. Ihre biegsamen Hände malten Bilder in der Luft, sie wölbte die Brüste, so daß ihre ausgehöhlte Bauchgrube noch enger und flacher wirkte. Ihre Hüften, die sie aufreizend schwang, waren gerundet wie Schalen. Amadeo betrachtete sie kurz.
»Sie ist nett«, sagte er gleichgültig.
Arme Coralie, dachte ich, sie zählt kaum, und doch ist sie da. Du wirfst sie nachts auf dein Bett; du rollst dich mit ihr herum, zerfetzt ihre T-Shirts, ihre billigen Nylonslips, sagst Roheiten, bis du in Fahrt kommst, du dringst in sie ein, bewegst dich in ihrer Feuchtigkeit, mit dem Verlangen nach mir.
Du drehst und wendest ihren leichten Körper, verschaffst ihr den Genuß, den du mir nicht geben kannst. Deinen eigenen Genuß nimmst du aus Träumen. Sie seufzt kindlich unter deinen starken Lenden. Erreichst du einen deiner widersinnigen Höhepunkte, bildet sie sich ein, daß es Liebe sei. Du küßt sie nicht, niemals, das hast du mir gesagt. Sie gibt sich zufrieden. Sie tut, was du willst, was du verlangst. Sie tut diese Dinge, ohne etwas von ihnen zu verstehen. Sie haßt mich auf unvernünftige, theatralische Art. Sie denkt, ich sei eine Rivalin.
Coralie hatte den Kuckuckswein getrunken. Sie brach plötzlich aus dem Kreis, der sie mit Rufen und Händeklatschen anfeuerte. Leichtfüßig lief sie auf uns zu, nahm Amadeos Hand, um ihn in den Tanz zu ziehen. Ihr Gesicht war erhitzt, das rote Top dunkel vor Schweiß, und die Nelke in ihrem Haar schimmerte rot wie ihre Lippen. Amadeo wies sie nicht zurück, wie sie es vielleicht von ihm erwartet hatte, sondern folgte ihr in den Kreis.
Sie warf triumphierend den Kopf in den Nacken, schüttelte Hüften und Mähne, ihre Arme bewegten sich, geschmeidig wie Nattern. Amadeo tanzte mit aller Eleganz seiner hohen Gestalt, die Arme dicht an den Körper gepreßt oder über den Kopf erhoben. Er hatte lange genug in Andalusien gelebt, um die komplizierten Schritte des spanischen Flamencos zu beherrschen. Sein Gesicht war finster und entrückt. Er stand vor Coralie wie vor einem Gegner, dem er abschätzend ins Auge sah. Doch in Wirklichkeit sah er sie nicht; seine Blicke waren nach innen gerichtet, dort, wo ich war, wo er mich in sich selbst suchte. Coralie gab es einfach nicht, sie war nichts als ein roter Schatten, der vor ihm hin- und herglitt. Der Musiker hämmerte die Töne im schnellen, straffen Rhythmus, das Klatschen der Hände wurde von Zurufen und Pfiffen begleitet. Amadeo warf sein Haar aus dem Gesicht, stampfte auf langen, nervigen Beinen, die Lederfransen seiner »Zahones« peitschten seine Schenkel, obwohl er sich kaum von der Stelle rührte. Er flüchtete in die verhaltene Wildheit des Tanzes, in die Verzückung der Musik, um sein Blut abzukühlen und sein Herz zu beruhigen. Er brannte sich selbst aus, wie eine Flamme.
Manuel stand dicht neben mir; ich hörte ihn atmen. Nach einer Weile wandte ich ihm das Gesicht zu. Unsere Blicke begegneten einander im Feuerschein. Plötzlich nahm er meine Hand – oder war ich es, die nach der seinen tastete? Unsere Finger verschränkten sich zu einem Knoten, fest und warm. Mir schien, daß diese Berührung etwas ganz Wunderbares war, etwas Beruhigendes, Tröstendes, das ich festhalten
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