Feuerfrau
mußte.
»Hast du alles vergessen?« fragte er leise.
Ich antwortete, ebenso leise:
»Nimm dich vor ihm in acht, Manuel.«
»Du brauchst keine Angst zu haben«, entgegnete er. »Ich bin kein Raufbold. Ich habe nicht die geringste Neigung dazu.«
»Er will in dieser Nacht mit mir schlafen.«
»Ich auch«, sagte er.
Ich wandte den Blick von ihm ab, sah zu Amadeo hinüber. Seine Gestalt ragte tiefschwarz auf im rötlichen Halbdunkel. Ich starrte ihn an, wie behext. Manuel, neben mir, hielt fest meine Hand. Nach einer Weile fragte ich, ohne laut zu werden:
»Was erwartest du von mir?«
»Ich warte ab, was geschieht«, hörte ich ihn mit großer Gelassenheit sagen. »Weißt du, ich staune selbst darüber, daß ich dies alles ertrage.
Warum eigentlich?«
Ein flüchtiges Lächeln hob meine Lippen.
»Das ist eine berechtigte Frage.«
»Liebst du mich?« flüsterte er.
Meine Augen schweiften zu ihm zurück. Ich neigte langsam den Kopf, und drückte die Lippen auf seine Schulter.
»Ja. Dich auch.«
Ein Seufzer hob seine Brust. Rauh stieß er hervor:
»Siehst du, das ist der Grund. Das Leben ist immer kompliziert, wenn man anfängt, darüber nachzudenken. Ich mache mir so wenig Kummer wie möglich.«
Diese Sache, zwischen uns, war nicht mehr zu umgehen. Sie mußte gesagt werden.
»Würdest du mit mir schlafen, wenn er dabei wäre?«
Seine Atemzüge veränderten sich. Da er dem Feuer den Rücken zukehrte, konnte ich sein Gesicht nur schlecht erkennen.
»Ja, das würde ich. Und wie steht es mit ihm? Nein, antworte nicht«, setzte er schnell hinzu und drückte meinen Arm. »Ich weiß, er hält nicht viel von fadenscheiniger Tugend. Wir können sagen, was wir wollen, unsere Entschlüsse werden nicht durch Logik, sondern durch Gefühle bestimmt. Und Liebe kann nichts Falsches tun.«
Er ließ seinen Arm unter meinen Kopf gleiten und zog mich an sich; sein Gesicht erschien plötzlich im Licht. Der Ausdruck, mit dem er mich ansah, wurde fast zügellos. Heiser stieß er hervor:
»Verstehst du?«
Wir starrten uns an. Mein Herz schlug in meiner Stirn, in meiner Brust, in meinem Bauch. Ich schloß kurz die Augen. »So will ich es haben«, flüsterte ich. »So und nicht anders.«
Er strich mir das Haar zurück. Ich ließ es geschehen. Mir war sehr heiß.
Strähnen klebten mir auf der Stirn. Er sagte lächelnd:
»Es lohnt sich nicht mehr zu warten, oder?«
Wir standen still, Wange an Wange, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich wandte den Kopf und sah Constantin neben mir stehen.
Sein faltiges Gesicht drückte gar nichts aus, aber seine Augen blickten düster.
»Wo ist der Chef?« fragte er kurz angebunden.
Ich wies auf die Zuschauer, die sich lachend um die Tanzenden geschart hatten. Constantin folgte meinem Blick. In der Dunkelheit erschien er mir noch gedrungener als sonst, während er über den freien Platz schritt, um den Kreis zu durchqueren. Doch Amadeo hatte Constantins finstere Schattengestalt bereits ins Auge gefaßt. Jäh brach er den Tanz ab, wandte Coralie den Rücken zu und schob sich durch die Menge, als der Baue mit raschen Schritten auf ihn zukam.
»Was ist los?« fragte Amadeo, wobei er Constantin scharf ansah.
»Quasimodo«, sagte Constantin.
Amadeo blinzelte.
»Was fehlt ihm?«
»Er stirbt«, sagte Constantin.
Amadeos Augen wurden eng; er forschte in Constantins Gesicht, als ob er in seinen Zügen eine andere Mitteilung zu lesen erhoffte als jene, die er gerade vernommen hatte. Der Aufseher erwiderte seinen Blick; sein Antlitz war unbeweglich. Dieser Austausch dauerte kaum eine Sekunde, aber als er beendet war, war Amadeos Gesicht zu einer düsteren Maske erstarrt.
Seine Stimme wurde leise und vibrierend.
»Gehen wir.«
»Wir können meinen Wagen nehmen«, sagte der Baue.
Ich suchte Lola mit den Augen, aber sie war verschwunden. Man wird sie schon benachrichtigen, dachte ich. Irgend jemand würde sie zum »Mas«
zurückbringen. Wenn nicht, konnte sie bei Freunden in einem der Wohnwagen schlafen.
Constantins Toyota, der deutliche Gebrauchsspuren zeigte, war gleich bei dem Festplatz geparkt. Amadeo zwängte sich neben den Fahrersitz, während Manuel und ich hinten Platz nahmen. Im Wagen roch es nach Zigarrenasche, abgetragenen Kleidern und kaltem Pferdeschweiß.
Constantin schaltete die Scheinwerfer an, ließ den Motor laufen. Hinter uns blieb die Ortschaft zurück; der weißlich flackernde Himmel verdunkelte sich. Bald verließen wir die Asphaltstraße, fuhren dem
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