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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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entsann mich, daß ich ein paar Stunden zuvor die gleichen Worte wiederholt hatte.
    Ein neuer, heftiger Krampf schüttelte das Pferd. Die Beine streckten sich, der kräftige, schweißnasse Hals hob sich im Bogen von der Erde, rasselnder Atem drang aus den geweiteten Nüstern. Das ganze Tier war ein gespenstisches Bild des Schmerzes. Amadeo biß sich hart auf die Lippen.
    Es gab keine Schrift, die für ihn so leserlich gewesen wäre wie das Zittern dieses todkranken Tieres.
    »Wo ist der verdammte Tierarzt?« stieß er hervor.
    »Er kommt, sobald er kann«, sagte Constantin dumpf.
    »Er sollte längst da sein«, keuchte Amadeo.
    Er schlang beide Arme um den Kopf des Pferdes, streichelte seinen Hals, seine Mähne, murmelte ihm beruhigende Worte zu. Das Tier zitterte zunehmend stärker. Seine verdrehten Augen gaben das von einem rötlichen Adernetz durchzogene Weiß des Augapfels frei. Schaum trat aus seinen Nüstern, während die nassen Flanken sich stoßweise hoben und senkten.
    »Warte nur, du wirst sehen…«, flüsterte Amadeo. »Gleich hört der Schmerz auf. Warte – ja – ich verspreche es dir.«
    Er sprach nur, damit das Pferd seine Stimme hörte. Nicht umsonst hatte Amadeo seit seiner Kindheit bei den Tieren gelebt. Die Worte selbst hatten keine Bedeutung. Die Wirkung lag einzig in ihrem Klang, getragen von jener Magie der Liebe, die alle Lebewesen aus Fleisch und Blut, Menschen ebenso wie Tiere, brauchen und spüren: eine erlösende Kraft von Herz zu Herz, ganz einfach aus dem Wesen heraus.
    »Hab keine Angst…«, murmelte Amadeo. »Ich bin da, das weißt du doch. Alles wird wieder gut. Bald wirst du ruhig schlafen…«
    Der Atem des Pferdes wurde schwächer. Regungslos, aufgewühlt, kniete ich neben Amadeo. Mein Herz schlug bis zum Hals. Sekunden vergingen. Ein leises, schleifendes Geräusch ließ mich flüchtig den Kopf wenden; da brach ein seltsamer Klang die Stille. Ein ganz leiser, sanfter Ton jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Amadeo hob ruckartig den Kopf; ich jedoch rührte mich nicht mehr, ich wußte Bescheid. Etwas abseits, neben dem Pferd, kauerte Manuel auf dem Boden, eine reglose schwarze Gestalt, und nur das Glitzern der kleinen Spiegel auf der Flöte war in der Dunkelheit sichtbar. Die Musik, die seine gelenkigen Hände aus dem Rohr zauberten, war so alt wie diese Welt; es war die Musik der Blätter und der rieselnden Gewässer, des Windes, wenn er durch das Schilf streicht. Jeder Mensch, gleich welcher Herkunft, erkannte diese Musik, und auch die Tiere wußten ihr Geheimnis, denn die kosmische Harmonie sang in ihrem Blut. In Friede und Heiterkeit webte die Flöte ihr Netz aus Tönen, wie die Spinne, die ihren Faden schwingt und schwerelos im Lufthauch ihren Reigen tanzt. Auch Constantin und Nicolas hielten den Atem an. Sie waren Romanos; sie hatten begriffen. Plötzlich gab es keinen Schmerz und keine Krankheit mehr; nicht einmal der Tod brachte die Musik des Windes, der Natur, der ewigen Wiedergeburt zum Verstummen. Selbstsicher und zärtlich bewegten sich Manuels Finger über die Chimiria. Die seidenweichen Klänge mischten sich in das Knistern der Gräser, in das ferne Rauschen der Brandung. Nun folgten die Töne höher und voller, klar und perlend wie ein Quell, einfach wie eine kindliche Weise. Die kristallklare Musik sollte der letzte Klang sein, den das schmerzgepeinigte Tier in seinem Sterbenskampf hörte; der Gesang der Flöte, die windgeborene Süße, würde ihn über die dunkle Schwelle tragen und dann erlöschen, mit seinem Atem, im selben Augenblick. Und wahrhaftig schien sich das Pferd zu entspannen; die furchtbaren Krämpfe ließen nach; sein Atem ging regelmäßig. Offenbar beruhigten sich die Schmerzen.
    Quasimodo lag jetzt ganz still, spürte nur noch Amadeos Liebkosungen auf seiner nassen Stirn, während die Musik seinem Körper den Schmerz entzog, ihn in Schlaf und Frieden umwandelte. Mit einem Mal hob ein tiefer, langanhaltender Seufzer den Körper des Pferdes. Seine Augen, auf Amadeo gerichtet, glänzten weit und klar, wie dunkle Spiegel. Die heißen Nüstern bebten. Ein schweres Röcheln drang aus seinen Lungen, die Augen schwammen, verschleierten sich. Der schwere Körper zuckte, streckte sich ein letztes Mal, schied Blut und Schleim aus, bevor er sich endgültig entspannte.
    Ein Schweigen folgte, so dicht, als würde die Natur selbst den Atem anhalten. Dann kam ein Luftzug auf, erzeugte im Schilf ein leichtes Knistern und Schwirren. Plötzlich bewegte ein

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