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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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schmiegte sich weich und flatternd wie eine Taube in meine Arme. Sie zeigte mir, wie groß ihr Töchterchen schon war.
    Tamara, die ich als Baby gesehen hatte, war zu einem entzückenden Kind herangewachsen.
    »Ach, Esmeralda!« rief ich. »Wie hübsch sie ist!«
    Esmeralda lächelte stolz. Tamaras langbewimperte Augen glänzten im Licht, ihre zu Zöpfchen geflochtenen Haare schimmerten am Scheitel goldbraun. Sie trug ein Kleidchen aus rosa Tüllspitze, mit Tomatensauce befleckt, und verbarg das Gesicht an der Schulter der Mutter.
    Manuel nahm alle Dinge in sich auf, lächelte geistesabwesend, sprach wenig. Zwischen uns bestand eine seltsame Befangenheit. Mit jedem Schritt, den ich tat, tauchte ich tiefer in eine Welt ein, die einst die meine gewesen war; sie wurde mir in ihrer Wirklichkeit jeden Augenblick zugänglicher. Und gleichsam entfernte ich mich von ihm, wurde eine Fremde, die diese Welt verstand. Manuel war mit einer Selbstlosigkeit, Heiterkeit und Gerechtigkeit begabt, die ihm die Freundlichkeit aller Menschen sicherte. Er folgte mir nicht auf meinem Weg; er hielt sich abseits, hoffend, daß ich zu ihm zurückkehren würde. Aber ganz sicher war er sich plötzlich nicht mehr. Amadeo war ein Zauberer, und seine Magie zu mächtig.
    Wir wanderten weiter, an den Lagerfeuern vorbei. Am Himmel funkelten unzählige Sterne, und nur über dem Horizont schwebte eine graue Wolkenbank, hinter der von Zeit zu Zeit der Schein eines Wetterleuchtens aufblitzte. Aus der Ferne klang das Rauschen der Wogen wie tiefe Atemzüge.
    Plötzlich, in einer Gruppe von Jugendlichen, entdeckte ich Coralie. Sie tanzte zum Rhythmus einer Gitarre, die ein junger Mann in prasselnden Tönen schlug, während ihn die anderen mit dem Klatschen ihrer Hände begleiteten. Coralies kräftiges schwarzes Haar fiel bis zur Taille herab, ihr Kopf wirkte auffallend klein. Über dem Ohr hatte sie zwei Nelken befestigt. Sie trug rote Jeans und ein ebenfalls rotes Top, das straff um ihre wippenden Brüste lag. Bei jedem Schritt ihrer stampfenden Füße glitzerten ihre Goldketten auf der bernsteinfarbenen Haut. Sie tanzte, die Arme emporgereckt, den Oberkörper weit zurückgelehnt, während sich alle Energie auf ihre beweglichen Hüften konzentrierte. Sie sang dabei und offenbar falsch; ihre Stimme klang ebenso schrill und unbeherrscht wie die eines Kindes. Amadeo, der mit seinen athletischen Schultern die Menge überragte, sah zu ihr herüber und zog die Nase kraus.
    »Wer hat ihr dieses Lied beigebracht? Wassilio?«
    Lola ließ ein Kichern hören.
    »Nein, ich. Aber sie spricht unsere Sprache sehr schlecht. Das Mädchen hat keine richtige Erziehung gehabt.«
    »Was singt sie denn?« fragte ich Lola.
    Ein melancholischer Schimmer trat in ihre Augen.
    »Ach, das ist ein sehr altes Lied. Ich lernte es von meiner Mutter, als ich Kind war. Damals wurden unsere Wohnwagen, die Verdines, noch von Pferden gezogen. Wir zogen von Kirmes zu Kirmes, von Markt zu Markt.
    Wir wanderten im Rhythmus der Landstraße, und nicht im Lärm der Motoren. Heute fliegen wir in einer Stunde mit dem Flugzeug von Marseille nach Barcelona, was ist das schon? Früher benötigten wir zwei Wochen dafür, und jeder Tag brachte uns eine neue Entdeckung.« Lola zog eine kleine Grimasse, während ein Seufzer ihren schlaffen Busen hob. »Ja, das war ein anderes Leben. Und das Lied ist wirklich uralt.«
    »Kannst du uns die Worte übersetzen?« fragte ich.
    »Warte, laß mir ein wenig Zeit«, murmelte Lola. »Ich erinnere mich nur noch an wenige Strophen.«
    Sie starrte vor sich hin, während sie leise, fast tonlos, summte. Plötzlich begann sie, sich mit geschlossenen Füßen leicht zu wiegen, während ihre dünne Stimme die Worte sang. Sie paßte sich nicht dem Rhythmus der Musik an, sie sang gleichsam ins Zeitlose hinein. Ihre Augen blickten an uns vorbei, ins Leere. Ich spürte, daß sie weit weg von uns war, in einer anderen Welt, in einem früheren Leben.
    »Mit dem Weißdorn und dem Wind,
    mit der Liebe, der Sonne und dem Leben,
    mit dem Vogel, der Biene und der Grille,
    über die grünen Täler und die grauen Hügel,
    mit dem Hasen und den Füchsen im Wald
    ziehe ich die Straße entlang.
    Mit meinen müden Pferden
    und meinen treuen Hunden,
    mit der Sternenkrone
    und dem Gewand des Mondes
    bezeuge ich, daß ich frei bin…«
    Lolas spröde Stimme brach; ein Hustenanfall schüttelte sie. Sie schnappte nach Luft, putzte sich geräuschvoll die Nase.
    »Ein schönes Lied, nicht wahr? Aber

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