Feuerfrau
flatterte empor mit rauhem Ruf, dem bald ein Echo folgte. Eine Weile stapften wir über den Strand. Unsere Füße sanken im kalten Sand ein, und wir fühlten, wie der Schweiß auf unseren Handflächen trocknete. Schließlich brach Amadeo mit dumpfer Stimme das Schweigen.
»Wir waren immer beisammen. In guten und in bösen Zeiten. Die Jahre habe ich nicht gezählt; heute scheint mir, sie gingen schnell vorüber. Ist es nicht sonderbar, Herzblume, daß ein Tier mich lehrte, was es heißt, ein Mensch zu sein?«
Endlich konnte ich wieder sprechen, ohne zu weinen. Ich sagte: »Wo Tiere und Menschen gemeinsam träumen, entsteht eine besondere Kraft, ein Gleichgewicht.«
Er nickte.
»Ja, ich merke es im Zirkuszelt, wenn ich den Zuschauern diese Träume zeige. Die Tiere spüren, wenn die Menschen glücklich sind. Das ist unglaublich schön.«
»Du bist ein gutes Medium.«
»Darüber habe ich nie nachgedacht«, sagte er.
Unsere Augen begegneten sich und hielten einander fest. Langsam wurden seine Züge ruhig. Er schenkte den Menschen seine Träume. Die Wunder, die er in der Dunkelheit des großen Zeltes entstehen ließ, waren die Bilder seiner eigenen Seele. Er überlegte nicht, mit welcher Absicht er das machte, mit welcher Lauterkeit, mit welchem Sinn und Zweck. Es war ein Akt der Liebe, der frohen Begeisterung, etwas Naturgegebenes. Leise sagte ich:
»Ich werde dich immer lieben.«
Er drückte meine Hand.
»Nicht mit dir und nicht ohne dich, Herzblume. Daran ändert sich nichts, niemals. Du bist jetzt nicht mehr allein. Du hast eine gute Wahl getroffen. Weißt du, daß Manuel wie Wassilio ist? Ein Kaku?«
Ein Kaku: ein Baum- und Sonnenmensch, der Kranke heilt und Sterbende tröstet; der die Menschen versteht und die Tiere liebt, der zu der Erde spricht, sie mit bloßen Händen zu Kunstwerken formt. Ich sagte:
»Du hast das schneller herausgefunden als ich. Ich nahm ihn am Anfang nicht sehr ernst. Er wirkte so unbeschwert. Aber sobald er da war, verwandelte sich die Welt. Und ich selbst wurde ein anderer Mensch.«
»Deine Liebhaber haben mich immer kaltgelassen. Aber bei diesem bin ich fast explodiert. Ich wollte ihm einen Kinnhaken geben und ihn sofort vor die Tür setzen.«
»Wir haben uns nicht gerade musterhaft benommen.«
»Wir übertreiben manchmal. Keiner erträgt das. Es sei denn, es ist einer, der uns ähnlich ist. Ich meine, wenn er bescheuert genug ist, um mitzumachen.«
»Ich glaube, er weiß, was er will.«
»Jedenfalls hat er sich mit uns abgefunden. Ich werde Wein, Brot und Salz mit ihm teilen. Das ist eine Sache, die gemacht werden muß. Ich werde ihn Fralo – Bruder – nennen.«
Das Morgenlicht löschte die Sterne aus; der Himmel färbte sich golden, dann perlweiß. Das Meer hob und senkte sich, ruhig atmend wie eine Riesenlunge. So weit das Auge reichte, lag der Strand verlassen da. Alles war ruhig, nur die Vögel zwitscherten in den Büschen. Mit jedem Luftholen unserer Lungen atmeten wir die Natur ein, glaubten ihre Unversehrtheit, ihren Frieden zu fühlen. Diese Erde, uns gegenwärtig, glich der Welt in ihrer Jugend und Unschuld, bevor die ersten Menschen geboren wurden.
Doch alles war Kulisse, war Illusion. Ebenso wie der Kreis der Manege hielt der goldene Horizont nur ein Bühnenbild umfangen. Wir wanderten den Wellenrand entlang, ließen den Wind, der nach Salz duftete, unsere Gesichter kühlen. Das Wasser leckte über eine Kruste winziger Muschelsplitter und über abgeschliffene Kiesel. An einem Dünenhang verständigten wir uns mit einem Blick, bevor wir uns entkleideten und über den feuchten Sand am Wasser entlangliefen. Lange, glatte Wellenzüge überzogen den Strand; sie trugen das erste Morgenlicht, ein Sprühfeuer aus Gold und Schaum. Einige Möwen, sanft gerundet und weiß, schaukelten in der Luft. Eine Weile schwammen und tauchten wir in den Wellenkämmen; die Strömung hob und senkte uns, Schaumblüten prickelten auf unserer Haut, lösten sich auf in winzige Blasen, kehrten in ihr eigenes Element zurück, ins Nichts. Und mit den zerplatzenden Schaumbläschen zerfloß und verwehte alle Bitterkeit; das Wasser spülte die Trauer weg, läuterte den Schmerz und klärte die Gedanken. Nach einer Weile schwammen wir zurück an den Strand. Die Morgenkühle überzog unsere nasse Haut mit Schüttelfrost. Unsere Kleider fühlten sich feucht und sandig an. Es machte uns nichts aus, wir trugen in uns die Kühle des Meeres, das Leuchten des Morgens, eine wunderbare Frische. Der Tod
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