Feuerfrau
Nummer neu in Szene setzen, die Lichtschärfe anders einstellen, mit stärkeren Filtern arbeiten.«
Spiele von Licht und Schatten nahmen in seiner Vorstellung schon Form an. Scheinwerfer strahlten aus dem Nichts herab; vor seinem inneren Auge tanzte schon der Schimmel, silbrig leuchtend, in einer verzauberten, kreisförmigen Bahn.
»Ich werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen«, sagte er. »Und ich muß Thyfos ausbilden. Er geht immer gleichmäßig, aber manchmal wirft er die Füße leicht seitwärts. Das muß ich ihm abgewöhnen. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er auf Signale reagieren, die ein anderer nicht mal sehen wird.«
Ich hörte zu, lächelnd.
»Das ist dein Leben«, sagte ich. »Daran hängt deine Liebe, an den Pferden.«
Er legte den Arm um meinen Nacken und zog mich an sich.
»Zufällig hast du unrecht, Herzblume. Mein Leben hängt an dir. Und das sogar in jedem Fall. Die Pferde sind nur meine Träume. Aber ich habe gelernt, die Schalen im Gleichgewicht zu halten.«
Die Luft roch nach See, Salzkristalle leuchteten, ein Zauberschein lag über uns, über der Landschaft. Amadeo sprach dicht an meinem Ohr.
»Wirst du mich noch lange so reden lassen?«
»Es macht mir Mühe, dir zu sagen, du sollst aufhören.«
»Ich kann auch deutlicher werden.«
Er nahm meine Hand, rieb sie an seiner nackten Brust. Seine Haut fühlte sich sonnenwarm an und glatt wie ein Kiesel.
»Komm jetzt«, sagte er leise. »Ich habe eine Schuld abzutragen.«
Wir gingen auf dem Pfad bis zu dem Rand der Lichtung, wo das Haus stand. Grün und kühl rieselte das Wasser hinter einem Pflanzenvorhang.
Myriaden von Mücken tanzten in der Luft. Aus dem Sumpf stiegen Vogelrufe: Ich erkannte das Locken der Knakente, den tiefen Ton einer Rohrdrommel, das Gurren der Holztauben. Die Schirmpinien standen reglos gegen den grüngoldenen Morgenhimmel und starr wie Bronze.
Quasimodo lag abseits vom Tor, im Schatten der Büsche. Man hatte eine große Decke über den Leichnam ausgebreitet, um ihn vor Insekten und anderen Tieren zu schützen. Es schmerzte mir in der Brust, und Amadeos Kieferknochen verkrampften sich; wir wandten beide die Augen ab und sagten kein Wort. Das Haus lag still da; auch in den Wohnwagen rührte sich niemand. Wäsche flatterte an einer Leine. Einer der Wachhunde kroch hervor, wobei er träge den Staub aus seinem Fell schüttelte. Amadeo pfiff; der Hund zog sich zurück, legte friedlich die Schnauze auf die Pfoten. Wir gingen durch den Hof, Amadeo stieß die Haustür auf, sie war ohne Vorhängeschloß. Die Sonne schien durch die Jalousien auf den glänzenden Boden der Wohnhalle. Ein Duft nach welken Blumen, Wachs und Kaffee schlug uns entgegen. In einem der Sessel, mit dem Rücken zum Fenster, saß Manuel, die Beine hochgezogen, und schrieb in seinem Tagebuch. Er hatte den Sessel nahe an das Fenster gezogen, so daß ihn die Feuerstreifen von draußen beleuchteten und alles andere im Dunkeln ließen. Als er uns hereinkommen sah, schlug er das Tagebuch zu, legte es auf den Tisch, wo bereits eine Kanne mit Kaffee, eine Tasse und die Zuckerdose standen. Er erhob und streckte sich, dehnte die langen Arme. Sein Haar war strubbelig und feucht, er mußte geduscht haben. Er hatte sich umgezogen, trug frische Jeans und das rote Hemd, in dem ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, und er war barfuß.
»Der Tierarzt kam vor einer Stunde«, sagte er. »Ich habe ihm für seine Mühe gedankt.«
Amadeo machte ein zustimmendes Zeichen.
»Ich werde ihn später anrufen.«
»Constantin läßt dir ausrichten, die Männer kämen um sieben.«
»Sie werden nicht sehr pünktlich sein«, sagte Amadeo. »Sie waren ja die ganze Nacht beim Fest.«
»Lola schläft noch«, fuhr Manuel fort. »Sie hat mir ein Zimmer gezeigt, aber ich war nicht müde. Kaffee?« setzte er hinzu. »Ich glaube, er ist noch warm.«
Er holte zwei Tassen aus dem Anrichteschrank, schenkte uns Kaffee ein, schob den Zuckertopf über den Tisch.
Amadeo und ich bedienten uns, schlürften mit Wohlbehagen den heißen, stark gesüßten Kaffee. Manuel saß auf der Tischkante, die Arme über der Brust verschränkt. Amadeo betrachtete ihn über den Rand seiner Tasse. Dann sagte er:
»Sobald die Männer da sind, werde ich die Leiche verbrennen. Ich kann sie nicht der Natur überlassen, wie es früher üblich war und bei manchen Völkern noch Brauch ist. Wir leben in Frankreich. Hier fürchtet man sich vor dem Geheimnis des Todes.«
»Die Lebenden wollen vom Tod nichts
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