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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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er.«
    Ich stimmte in ihr Lachen ein. Ich zog meinen nassen Mantel aus, legte ihn zwischen Martin und mir. Ich tat es ganz instinktiv, ohne darüber nachzudenken. »Wie geht es ihm?« fragte ich und gab mir Mühe, daß meine Stimme ruhig klang.
    »Oh, prächtig! Vor ein paar Wochen kam er im Fernsehen. Amadeo weiß sich in Szene zu setzen. Er hat sogar Topsy mitgebracht und sie im geeigneten Augenblick aus der Tasche gezogen.«
    Ich brach in Lachen aus, und Eleni rief:
    »Wie? Topsy lebt noch?«
    »Sie ist völlig blind«, Lola deutete nach hinten, in die Schlafkammer.
    »Sie verläßt kaum noch ihren Korb.«
    Ich stand auf, zwängte mich am Holzschrank vorbei. In Amadeos Schlafecke herrschte das übliche Chaos: Hosen, alte Turnschuhe, Pullover, schmutzige Handtücher, zusammengeknüllte T-Shirts. Die meisten Sachen waren abgetragen und verbraucht. Der Schlafsack war am Boden ausgebreitet. Ich sah einige Flaschen Mineralwasser, vergilbte Bücher –
    Arrabal, Benedetto Croce, Pieyre de Mandiargues, Roger Caillois – und einen Stapel Kassetten. An einem Drahtbügel hingen ein paar Kleider, die gerade aus der Reinigung gekommen waren. Schwarze Pumps mit sehr hohen Absätzen lagen neben einem kleinen Schminkbeutel, der billige Gesichtscreme, Lippenstift aus dem Warenhaus und roten Nagellack enthielt. Ein Hauch von Schmerz zog durch meine Brust, ein feiner Hauch nur, der sich gleich wieder verlor, als ein leichtes Kratzen an mein Ohr drang. In einer Ecke stand ein winziger Korb. Aus den Lumpen, die ein Nest bildeten, streckte mir eine hellgraue Ratte schnüffelnd ihr spitzes Maul entgegen. Ihre Augen waren nur noch zwei weiße Steine. Ich bückte mich, rief leise ihren Namen. Topsy vernahm die freundlichen Schwingungen meiner Stimme. Als ich ihr die Hand hinhielt, klammerte sie sich mit ihren Pfötchen daran fest. Ich richtete mich behutsam auf. Topsy kroch meinen Unterarm entlang, steckte den Kopf unter meinen Ärmel. Ich setzte mich wieder neben Martin, während Eleni die Hand ausstreckte und das Tier streichelte. Martin beugte sich argwöhnisch vor.
    »Was ist das? Ein Meerschweinchen?«
    Eleni lachte gleichmütig.
    »Nein, eine Ratte.«
    Martin schreckte leicht zurück.
    »Das ist doch widerlich! Solche Tiere verbreiten Krankheiten.«
    Lola goß Pulverkaffee in dicke Keramiktassen, stellte Milch und Zucker vor uns.
    »Topsy wird nicht mehr lange leben«, meinte sie. »Amadeo wird sie vermissen.«
    Martin lachte bestürzt auf.
    »Und sie schleunigst zum nächsten Abfallkorb geleiten! Herrgott! Ihr Frauenzimmer seid unglaublich! Ich würde mich ekeln! Du nicht?«
    Die Frage richtete sich an Jorge, der amüsiert blinzelte. Es gab wenig Dinge, die ihn befremdeten. Er sprach wenig, aber war darüber nicht einsilbig geworden.
    »Ekeln? Nicht unbedingt. Kennst du die griechische Mythologie?«
    »Zuwenig, leider. Aber was hat die Ratte damit zu tun?«
    »Sie begleitet den Lichtgott Apoll; sie stellt sein dunkles Gesicht dar, das sich der Nacht und der Erde zuwendet.«
    »Hochinteressant!« Martins Stimme klang sarkastisch. »Du weißt mehr darüber als ich. Allerdings glaube ich kaum, daß der Besitzer im Bilde ist.
    Das sieht mir doch eher nach Provokation aus.«
    Er hüstelte und wartete auf das, was ich sagen würde. Ich sagte nichts.
    Mit der Fingerkuppe streichelte ich Topsy, die sich in die Maschen meines Pullovers krallte.
    Provokation, hat er gesagt? Es könnte auch ein Bekenntnis sein.
    Ein Geräusch von Schritten, draußen. Nein, ich drehe den Kopf nicht, gucke nicht durchs Fenster. Die Schritte kommen näher, steigen hinauf, werden lauter, fast so laut wie die Schläge meines Herzens. Das Warten ist nur kurz, und doch scheint es kein Ende zu nehmen. Ich halte den Atem an, formuliere nur einen Gedanken: Du bist da!
    Die Tür sprang auf, und Amadeo trat in den Wohnwagen. Er war so groß, daß er sich bücken mußte, um durch die Tür zu kommen. Und schlagartig nahm er den ganzen Raum in Besitz. Er verwirrte alle, die ihn sahen. Ich glaube nicht, daß er es bewußt tat. Er war eben von Natur aus so.
    Er konnte keine ungeschickte Bewegung machen, seine Würde war angeboren. Häufig wirkten solche Männer anmaßend oder gewöhnlich, wenn aus ihren Augen nicht etwas anderes sprach.
    Über seine schwarzen Pluderhosen trug er jetzt eine Lederjacke, sonst nichts. Seine regennasse Haut schimmerte wie Erz. Er war etwas kräftiger geworden, aber man konnte sich vorstellen, daß er sich trotz seiner muskulösen Glieder leicht

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