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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Bauch. Mein Unterleib schmerzt und pocht, als ob ich meine Periode hätte.
    »Ich habe keine Angst. Ich weiß, daß er es mit anderen Frauen macht.
    Und daß er Erfahrung hat. Ich denke ständig nur an ihn. Und ihm geht es genauso. Er denkt an mich und masturbiert.«
    Eleni wird rot.
    »Woher weißt du das?«
    »Weil er es mir gesagt hat.«
    Ich glühe und friere, ich habe violette Ringe unter den Augen. Ich sehe entsetzlich aus. Er ist besorgt, er sagt, du mußt schlafen, du mußt dich ausruhen. Wir sitzen auf der Treppe, ich auf seinem Schoß. Ich erforsche seine Züge im Zwielicht: Sein Gesicht kommt mir schmaler vor, noch dunkler als bei unserer ersten Begegnung im Zirkus, eingefallen und wie von innen ausgeglüht. Mir wird klar, auch er ist am Ende seiner Kraft. Und bei der Arbeit, die er verrichtet, kann das gefährlich sein. Ich sage es ihm.
    Er beruhigt mich. Tagsüber käme er nicht zum Schlafen, und nachts habe er Besseres zu tun. Ein paar Tage könne er das wohl aushaken. Er lachte dabei und schlingt die Arme fester um mich.
    »Du bist so jung, daß ich es nicht glauben konnte, als ich dich traf. Ich war nicht vorbereitet auf dich, irgendwie war das wie ein Schlag in der Magengrube.«
    Ich lehne den Kopf an seine Schulter, mir fallen die Augen zu; es ist unheimlich schön, in seinen Armen zu liegen, einfach so. Wie Blei in Gold hat sich unsere Begegnung verwandelt. Über den Umweg der körperlichen Leidenschaft wirkt etwas anderes, etwas, das uns in Wärme hüllt und Kraft gibt. Dieses Neue entsteht in mir, ich weiß nicht, was es ist, auch nicht, wie ich es nennen soll. Er fragt mich, woran ich denke. Ich versuche es ihm zu erklären; ich bin so müde und habe solche Kopfschmerzen, ich drücke mich umständlich aus. Etwas Angst ist auch vorhanden: Lacht er mich aus, käme ich mir wie eine Betrogene vor. Doch er sagt, hör zu, und beginnt zu erzählen. Er sagt, daß ihm Gott schon lange nichts mehr bedeute, daß ihn Gott als Kind im Stich gelassen habe.
    »Kirchen sind für mich wie verlassene Schneckenhäuser. Heute morgen, da kam ich zufällig an einer Kirche vorbei. Es war irgendwo beim Bahnhof St. Lazare. Und da – ich weiß nicht warum – hatte ich plötzlich den Wunsch, diese Kirche zu betreten. Es fing gerade an, etwas wärmer zu werden, aber in der Kirche war es dämmrig und kühl. Es roch nach Weihwasser, nach welken Blumen und Kerzen, der Geruch von früher.
    Nach all dem, was geschehen war, dachte ich, gleich muß ich kotzen – aber nein. Ich ging auf den Steinplatten zum Altar. In der Kirche war es vollkommen still. Ich versuchte einen Einklang zu finden zwischen dieser Stille und mir. Ich stand einfach da und sah das Licht aus dem Fenster strömen, eine leuchtende Luft. Nein, die Kirche war nicht leer, sondern von einer Art sprechender Stille erfüllt. Und plötzlich kam mir der Gedanke, daß diese Stille vielleicht das war, was wir Gott nennen…«
    Ich fragte leise:
    »Hast du gebetet?«
    »Herzblume, ich bete nie. Ich suchte nur die Stille.«
    Er ist nicht naiv; er kann, glaube ich, nicht einmal als Kind naiv gewesen sein. Da ist etwas anderes. Er spricht mit einem Wissen, das nicht aus der Schule kommt. Ich sage es ihm; er grinst. Er sei schon immer unfähig gewesen, irgend etwas systematisch zu lernen.
    »Das war meine Krankheit, Herzblume, die Ursache vieler Probleme.
    Als Kind bewegte ich mich innerhalb meiner eigenen Welt, und das bedeutete, daß ich die andere ausgrenzte.«
    Ich kann das verstehen. Er fühlt, was ich fühle… oder doch oft.
    Deswegen sagt man, ich sei schlecht veranlagt, rebellisch, eine Scheinheilige. Jetzt lacht er, rauh und höhnisch.
    »Für mich hat man andere Worte auf Lager gehabt: zurückgeblieben, beschränkt, idiotisch, verstockt, verrückt, gefährlich, teuflisch. Ich wuchs in Schränken und in Besenkammern auf, in Gesellschaft von Schatten. Ich war ein Kind, das seine Zehen zu füttern versuchte, sich die Augen eindrückte, um Farben zu sehen, mit dem Kopf gegen die Wände schlug.
    Hart, still und unheimlich. Ein Kind, das gefesselt in seiner Scheiße im Gitterbett lag, das man auspeitschte, dem man die Nase zuhielt, damit es das ausgekotzte Essen wieder schluckte.«
    Er redet halblaut vor sich hin. Seine Stimme ist ruhig, so ruhig. Er merkt, wie entsetzt ich bin. Die weißen Zähne blitzen in dem dunklen Gesicht.
    »Nimm es nicht schwer, Herzblume. Wie du siehst, konnte ich mich aus der Schlinge ziehen. Die Tiere haben mir dabei geholfen: die Pferde,

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