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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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allen vieren, du ächzt und siehst auf. Ein Schatten fällt auf dein Gesicht, und da steht eine Frau in glänzenden Lackstiefeln und Minirock aus gelbem Leder: Josiane Marceau.
    Josiane ist eine Hure, die ihren letzten Kunden aufgerissen hat und ziemlich betrunken nach Hause torkelt. Sie schreit, du bist wahnsinnig, du bist nicht bei Trost. Sie wankt auf ihren hohen Absätzen, sie ist ganz blaß im Gesicht. Du nimmst deine letzen Kräfte zusammen, stößt Flüche und Obszönitäten aus den Vororten von Marseille aus: Sie soll abhauen, sich einen reinstecken lassen, vorne und hinten und gratis, du willst ihre blöde Visage nicht sehen. Sie starrt dich an, aus schwarz umflorten Augen. Schon möglich, daß du stimmlos brüllst, daß kein Wort über deine blutverklebten Lippen kommt. Dein Kopf ist hohl wie eine Blechbüchse. Die Schwärze wird endgültig und absolut: Du verlierst das Bewußtsein.
    »Als ich wieder zu mir kam«, sagte Amadeo, »kniete Josiane aufgebracht neben mir und wischte mir das Blut aus dem Gesicht. Josiane, nicht mehr jung, mit cremeweißer Haut und gelockt wie ein Schaf. Ich hörte mir ihr Geschimpfe an und sagte: ›Hau bloß jetzt ab hier und laß mich krepieren.‹ Sie fauchte mich an: ›Entweder du verhältst dich ruhig, oder du bist reif für die Ambulanz, von der Klapsmühle ganz zu schweigen.‹
    Mein harter Schädel war allerhand gewöhnt, aber diesmal hatte ich eine Gehirnerschütterung. Schwindel, Übelkeit und alles, was dazugehört.
    Josiane half mir auf die Beine, ich klammerte mich an sie. Schwankend unter ihrer Last, schleppte Josiane mich in ein Cafe, das noch offen war.
    Sie sagte, ich sähe fürchterlich aus und ich solle mich waschen gehen. Sie hatte warmen Milchkaffee für mich bestellt. Ich trank einen Schluck, Brechreiz würgte mich. Ich sah bunte Sterne und übergab mich. Josiane ließ einen ganzen Schwall Schimpfworte los.«
    »Du bist ganz schön angeschlagen, du blöder Kerl. Los, komm, gehen wir rauf zu mir.« Sie schob und zerrte mich hoch, nahm mich in ihre Wohnung, die gleich um die Ecke war, und gab mir ein Aspirin. Ich ließ mich auf ihr Bett fallen, neben ein Dutzend Teddybären, und schlief wie ein Stein, zehn Stunden lang. Danach ging es mir besser. Josiane kümmerte sich um mich, wie eine besorgte Mutter. Sie gab mir ein Handtuch, ein irisches Hemd und kochte mir Essen. Während sie sich Locken mit ihrer Brennschere drehte, erzählte ich ihr die ganze Geschichte. Sie zündete sich eine Zigarette an und sagte, warte, wir werden die Karten befragen. Ich streckte mich auf dem Bett aus, immer noch mit brummendem Schädel, und hielt einen Teddybär in den Armen. Inzwischen legte sie die Karten.
    Ich merkte, daß sie Übung hatte. Sie rauchte sehr konzentriert, drehte langsam die Karten. Schließlich warf sie den Kopf zurück und rieb sich die Stirn. Ihre Nägel schillerten auf der weißen Haut, wie kleine Blutstropfen.
    »Wozu rennst du dir eigentlich die Fresse ein? Es ist überhaupt nicht aus zwischen euch. Sie wird immer dasein. Wolltest du dich von ihr trennen, müßtest du dein eigenes Fleisch loswerden. Und wie brächtest du das fertig, du Idiot? Und du kannst mir glauben, die Karten sagen immer die Wahrheit. Hörst du mir überhaupt zu?«
    »Nein. Ich gehe den einfachsten Weg: krepieren.«
    »Nur zu, das machst du sehr professionell. Und ich werde mich nicht mehr um deine Gesundheit kümmern. Wenn du in den Rinnstein kotzen willst, ohne mich.«
    »Ich brauche sie einfach.«
    »Sie braucht dich mindestens genauso. Ist dir gottverdammter Blödmann überhaupt klar, was für ein Glück du hast? Es gibt eine Lösung für alles.«
    »Nicht für uns. Der Zirkus baut ab, und morgen sind wir schon unterwegs. Und sie sitzt in diesem Scheißinternat und hat die größten Scherereien.«
    Josiane sammelte die Karten ein und lächelte. Die Güte, die bei diesem Lächeln über das ganze Gesicht wanderte, veränderte ihre Züge, ließ sie weich und fast mädchenhaft leuchten. ›T’en fais pas, mon gars. Elle à du culot, cette petite. Elle te retrouvera.‹
    »Mach dir keine Sorgen, Junge. Die Kleine hat Mut, sie wird dich schon wiederfinden…«
    Viele Jahre später, in Amadeos Wohnwagen, fuhr ich mit dem Finger über die längst verblaßte Narbe.
    »Die Karten lügen nicht. Sobald ich konnte, machte ich mich auf die Socken.«
    »Inzwischen hatte ich dir fünfzehn Briefe geschrieben. An die Zahl erinnere ich mich noch heute.«
    »Madame Poniatowska las alle fünfzehn und

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