Feuerfrau
aufzustellen, Flugtrapez, Luftleiter und Netz zu installieren. Deine Verantwortung ist groß: Ein schlecht befestigter Klemmbolzen kann verhängnisvolle Folgen haben.
Du versorgst die Pferde, striegelst sie und reitest sie aus, damit genügend Bewegung haben. Bei der Parade läßt man dich den Figuranten spielen, in Kaftan und Turban oder als Indianer mit Federkrone. Dimitri Pelayo beobachtet dich immerzu; unter seinem Vorhang krauser Haare schimmern scharfe, wachsame Augen. Seine Zuneigung äußert sich in einsilbigen Wörtern, in knappen Befehlen, in groben Flüchen. Du erduldest stillschweigend seine Schikanen. Er ist ein Meister, und du hast ein Versprechen gegeben. Nach und nach beginnt er, gewisse Tricks an dich weiterzugeben, bringt er dir das Feuerschlucken bei und probt jene Nummer mit dir, in der du als Indianer mit Fackeln jonglierst.
Wie Thula, die Eule, die nur nachts fliegt, damit ihre Augen das Schlechte der Welt nicht sehen, richtest du deinen Blick auf den Kreis der Manege. Er wird für dich eine Welt ohne Jahreszeiten, ein unbegrenztes Reich der Träume. Immer stärker, in all diesen Jahren, wächst in dir der Wunsch, einen eigenen Zirkus zu besitzen, eine Show nach deinen Vorstellungen zu inszenieren. Dimitri Pelayo unterstützt dich. Und als man dir auf dem Viehmarkt in Nimes einen zweijährigen spanischen Hengst anbietet, ist der erste Grundstein gelegt. Dimitri streckt dir das nötige Geld zum Kauf vor und erlaubt dir, im kommenden Programm mit einer eigenen Nummer aufzutreten. Vorerst bleibt der junge Hengst auf einem Gut in Südfrankreich, während der Zirkus in nördliche Richtung zieht. Er wird auf der Rückreise in Paris gastieren; am Sonntag, nach der Vorstellung, wird eine Schülerin zu dir in die Manege kommen. Ein schmalhüftiges Mädchen, mit zwei kindlichen Zöpfen hinter den Ohren. Eine Internatsschülerin in weißer Bluse und blauem Faltenrock, aus deren Augen die Botschaft spricht: Ich bin irgendwie dir gleich…
Im Wohnwagen wurde es hell; der Tag wollte beginnen. Wir lagen nebeneinander, in der schwebenden Ruhe und Mattigkeit nach der Liebe.
Ich lag auf der Seite, hatte Amadeo den Kopf auf die Schulter und den Arm quer über seine warme Brust gelegt. Ich starrte in das helle Fenster und fühlte, wie er atmete.
»Woran denkst du?« fragte er zärtlich.
Ich drehte den Kopf zu ihm hin.
»An dich. An Wassilio. Und an Quasimodo.«
Er lächelte.
»Drei sehr verschiedene Dinge!«
»Sie gehören zu mir, Amadeo.«
Sein Lächeln erlosch. Er seufzte.
»Auch du gehörst zu ihnen, Herzblume.«
Ich rollte mich herum, um ihn ganz anzusehen.
»Weißt du noch, damals, in Les-Saintes-Maries-de-la-Mer? Du hattest gerade angefangen, Quasimodo zu trainieren. Du sagtest, es tue ihm gut, von einer Frau geritten zu werden, das würde ihn beruhigen. Wie gerne würde ich noch einmal auf ihm reiten, Amadeo!«
Er nahm meine Hand und zog mich hoch.
»Das kannst du haben! Komm!«
»Jetzt?«
»Ich reite jeden Morgen mit ihm aus.«
Wir zogen uns an, und Amadeo lieh mir seine schwarze Lederjacke. Als wir nach draußen traten, schlug uns die kühle Morgenluft entgegen.
Nebeldunst lag über dem Kanal, und der Dampf aus den Butanöfen stieg aus den Wohnwagen. Wir stapften durch den Schlamm, bis in das Zelt, in dem die Pferde untergebracht waren. Das kleine Fohlen stand dicht an die Mutter gepreßt; Salima leckte es hingebungsvoll, während es an den Zitzen der Mutter saugte. Wassilio schlief zwischen zwei Strohballen. Und schnarchte laut. Amadeo und ich tauschten einen lächelnden Blick. Wir gingen an den Pferden vorbei, die durch Seile voneinander getrennt waren.
Manche Tiere wurden von Amadeo leise mit Namen gerufen, oder er pfiff auf besondere Weise. Dann wandten sie den Kopf mit trägem, anmutigem Schwung hoch, und in ihren Augen zuckte ein Schimmer auf. Quasimodo stand auf der Streu wie ein stiller schwarzer Felsen. Seine Mähne fiel tief herab zwischen die Augen. Behutsam trat ich an ihn heran, legte dem Pferd die Hand auf die Stirn. Die Nüstern waren feucht, mit einem bläulichen Schimmer. Die Ohren ragten über den großen Kopf und bewirkten, daß das ganze Tier noch wuchtiger erschien.
»Kennst du mich noch?« fragte ich.
»Quasimodo vergißt nie eine Stimme oder einen Geruch«, sagte Amadeo.
Das Pferd ließ die Ohren spielen. Ein Schauer lief durch den warmen Körper, ich sah, wie sich das dunkle Fell kräuselte. Er blähte die Nüstern, stieß ein seltsames, sanftes Schnurren
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