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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Verhaltensgestörte, Asoziale, Drogensüchtige und geborene Kriminelle. Sie erhalten einen normalen Schulunterricht, daneben müssen sie arbeiten. Eine Zeitlang lebst du in einer Art Erstarrung; als ob dein wirkliches Selbst in einem tag-traumähnlichen Zustand dahindämmert. Du leugnest deine Existenz, du hast den Bezug zu dir verloren. Deine Augen starren ins Nichts, deine Gedanken kreisen irgendwo, abgeschnitten und unerreichbar. Zu Beginn entgehen dir gewisse Anspielungen; dein weltfremdes Wesen erntet Gelächter und Hohn. Du reagierst mit Gewalt. Du hast nicht umsonst die Tiere beobachtet, wie sie sich in der Herde verhalten, die Art, wie sie sich paaren und bekämpfen. Du bist kräftig und zäh; dazu kommt deine Gleichgültigkeit Schmerzen gegenüber. Als sie zu viert über dich herfallen, spuckst du einen Zahn aus. Sonst bleibst du immer Sieger. Bald giltst du als unberechenbar und gefährlich, was dir Respekt verschafft.
    Eines Tages kommst du aus deiner Lethargie heraus. Die Schüler arbeiten im Garten. Du stößt den Spaten in die Erde, als ein ferner Schatten über den Boden huscht. Du hebst das Gesicht, wischt dir den Schweiß aus den Augen, starrst blinzelnd empor. In der gleißenden Helle dreht ein Habicht schwerelos seine Runden. Eine entkörperte Silhouette, wie Filigran, in der endlosen Weite schwebend, bis sie eine Säule warmer, aufsteigender Luft findet und sich ihr überläßt. Der Vogel wird kleiner, immer kleiner; bald ist er nur noch ein dunkler Fleck, in absolute Freiheit und Weite steigend, hinauf zu jenem Punkt am Himmel, wo das Geheimnis beginnt.
    Zwei Tage später drischst du auf einen Jungen ein, der mit blutigem Gesicht zu Boden geht. Zur Strafe mußt du Latrinen putzen. Du sammelst die Exkremente in einem Eimer, leerst ihn dem Aufseher über dem Kopf aus – und entkommst.
    Ein braunhäutiger Halbwüchsiger, sechzehn Jahre alt, zurückhaltend und auf nervöse Art verschlossen, der allein durch die Gegend streift. In der Anstalt warst du mit abgebrühten Typen zusammen, das hat Spuren hinterlassen. Du klaust zuerst in Obstgärten, dann in Warenhäusern. Bald triffst du andere Jungen, die es geschickter machen; sie bringen dir verschiedene Tricks bei. Du lernst, wie man schwarz fährt, wie man unter freiem Himmel oder in vergammelten Treppenhäusern übernachtet.
    Modische Turnschuhe und knallenge Jeans sind wichtig, sagen die Jungen.
    Es gibt verschiedene Methoden, sich Klamotten zu beschaffen. Du machst auch Botengänge für Drogenhändler, bringst Kokain, LSD und Ephedrin-Pillen an die Kunden. Du lernst rauchen, Whisky trinken und Kokain schnupfen. Du denkst nicht mehr viel darüber nach, was »falsch« und
    »richtig« sein könnte; du bist viel zu sehr damit beschäftigt, dich durchzuschlagen. Wenn dir alles zuviel wird, ziehst du dich in dich selbst zurück und schaust den Dingen zu, empfindungslos, ohne jede Anteilnahme. Du hast immer noch das Bild des Habichts im Kopf; du möchtest dieser Vogel sein. Irgendwo im blauen Licht, unerreichbar.
    Deine Eltern haben die Polizei benachrichtigt, dein Steckbrief hängt überall. Man sucht dich über Radio und Fernsehen. Zweimal wirst du bei Razzien gefaßt, einmal in Marseille und einmal in Toulon. Unter Polizeiaufsicht wirst du in die Anstalt zurückgebracht. Es dauert nur einige Tage, und du bist wieder draußen. Beim zweiten Mal hast du im Büro des Direktors die Kasse aufgebrochen. Diesmal verschwindest du über die spanische Grenze: zu Fuß, durch die Wälder, immer der Küste entlang. Du bist Hilfsarbeiter beim Traubenpflücken oder bei der Heuernte, du hast einen Klamottenstand am Flohmarkt, du wirkst als Statist bei einem Film mit. Du interessierst dich für die Studioaufnahmen, lernst alle Mitwirkenden kennen, vom Arbeiter bis zum Techniker. Nach den Aufnahmen schließt du dich einer Gruppe von Flamenco-Sängern an, die in Touristenkneipen an der Costa Brava auftreten. Du hast Spaß an der Technik, kümmerst dich um die Beleuchtung und Inszenierung. Daneben dealst du ein bißchen und klaust bei Gelegenheit. Inzwischen hast du auch Erfahrung mit Frauen, und zweifelst nicht an deiner Kompetenz. Du bist sofort im Mittelpunkt, wo immer du auftauchst. Du bist wild und düster und unendlich zärtlich. Die Gewalt ist tief verborgen in dir, unbemerkbar, du wendest sie nur an, wenn du bedroht wirst. Du hast ein scheues Lächeln, breite Schultern und starke Arme, um eine Frau zu umfassen. Sonnen- und liebeshungrige Touristinnen kaufen dir

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