Feuergipfel
in ihrer vollen herbstlichen Pracht, ln einigen Wäldchen hatten sich die Blätter so gelb wie die Sommersonne verfärbt. Andere Espenhaine leuchteten in so lebhaften Rot- und Orangetönen, daß es aussah, als leckten Feuerzungen die tiefen Canyons und langen, flachen Schluchten empor.
Elyssas Augen hatten einen grübelnden, finsteren Ausdruck, als ihr Blick wieder zu Hunter zurückkehrte, ihrem Herbstgeliebten, einem Mann, der so komplex und bezwingend für sie war wie das Land selbst.
Hunter war sich Elyssas eindringlicher Blicke durchaus bewußt. Das und die Unberührtheit der Landschaft lösten etwas von der inneren Anspannung, die ihn in den letzten Tagen so reizbar gemacht hatte.
Ganz gleich, wie aufmerksam er die Weite auch absuchte, er sah keine Spur von anderen Menschen. Es war, als ob er und Elyssa mutterseelenallein auf der Welt wären. Dennoch behielt er die lange, in vielen Windungen verlaufende Route bei, die er gewählt hatte, um etwaige Verfolger in die Irre zu führen.
Schließlich brachte Hunter Elyssa an einen Ort, wo Berge und das lange, breite Tal an den Rändern in eine Reihe von zerklüfteten Graten und tiefen Canyons übergingen. Am Kopf eines schmalen, steilen Grabens befand sich der Eingang zu einer Höhle, der von wild wucherndem Gestrüpp verdeckt war. Klares, sauberes Süßwasser floß zwischen den Weidendickichten dahin, die an den Ufern dieses kleinen Baches wuchsen.
Elyssa erkannte die Stelle wieder. Sie war schon einmal am Hidden Creek gewesen, aber das lag viele Jahre zurück. Und sie war niemals auf einem so umständlichen Weg hier heraufgekommen.
Ohne abzusteigen trieb Hunter Bugle Boy durch ein Dickicht und dann direkt in den Bach hinein. Als er den Hengst flußaufwärts lenkte, folgte Leopard ihm. Elastische Weidenzweige bogen sich von den Pferden weg und sprangen dann wieder zurück, ohne etwas von der Tatsache zu enthüllen, daß Reiter diese Stelle passiert hatten.
Als Hunter den Höhleneingang erreichte, zog er Bugle Boy auf die Seite. Mit einer knappen Handbewegung forderte er Elyssa auf, vor ihm hineinzureiten. Nachdem Leopard vorbeigegangen war, lehnte sich Hunter tief über Bugle Boys Hals und folgte Elyssa. Ruhig und ohne jede Spur von Nervosität trotteten beide Pferde unter einem Felsvorsprung hindurch und in den Eingang der Höhle.
Direkt hinter der Öffnung war die Felsenkammer vielleicht dreißig Meter breit und ungefähr dreimal so tief. Aufgrund der Jahreszeit umgab eine breite Fläche sandigen, trockenen Bodens den Teich, der im Inneren verborgen lag.
Der Teich selbst war wie ein schwarzer Spiegel, der das Tageslicht vom Eingang reflektierte. Jede Bewegung, die das Wasser aufwirbelte, hinterließ gespenstische, quecksilberne Spuren auf der Oberfläche. Hinter dem Teich verlief ein langer, schmaler Spalt durch die Felswand.
Im Frühling schoß daraus Wasser mit einem brausenden Geräusch wie Donner hervor. Heute floß es geräuschlos herab und füllte den Teich, der sich durch den kleinen Bach wieder leerte.
Hunter saß ab und griff nach einem losen Bündel frisch geschnittenen Gestrüpps. Er zog es vor den unteren Teil der Öffnung, um den Höhleneingang von außen zu tarnen.
Das Licht, das durch die grüne Wand von Zweigen ins Innere drang, verlieh der Höhle etwas ebenso Geheimnisvolles wie das quecksilbrige Glitzern des Teiches. Bugle Boy ging zum Wasser und trank. Plätschernde Kreise breiteten sich zu den Rändern hin aus, als er sein Maul eintauchte.
»Kannst du etwas sehen?« fragte Hunter.
Elyssa zuckte zusammen. Hunter stand neben Leopards Schulter. Seine linke Hand lag auf dem Zaumzeug des Hengstes.
»Mich wundert bloß, daß wir vier Meilen weit geritten sind und nur eine halbe Meile vom Haus entfernt sind«, erwiderte sie. »Was soll das?«
»Steig ab. Es ist hier drüben.«
Hunter trat beiseite, als wüßte er, daß seine Nähe Elyssa nervös machte. Er wich ein paar Schritte zurück und wartete darauf, daß sie absaß. Als sie es tat, wandte er sich augenblicklich zum Bach um.
»Hier entlang«, sagte er.
Nach einem Moment des Zögerns folgte sie ihm. Er ging zu
der Stelle, wo der Teich überfloß, um sich in den Bach zu ergießen. Dort wartete er, bis Elyssa neben ihm stand.
»Wo ist es?« fragte sie.
»Auf der anderen Seite.«
Elyssa spähte in die eigenartig leuchtende Dunkelheit auf der anderen Seite des Baches. Nur mit Mühe konnte sie einige verschwommene Umrisse ausmachen, die Gepäck oder Bettrollen oder auch beides
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