Feuergipfel
kein Idiot«, knurrte Hunter.
»Meistens nicht«, stimmte Case einschränkend zu.
»Was hast du eigentlich? Ärgert es dich, daß du Frechdachs nicht haben kannst?«
Case schüttelte den Kopf.
»Es ist die Ranch, die ich haben möchte«, erwiderte er. »Die Ranch ist etwas, auf dem man aufbauen kann, wenn der letzte Culpepper tot ist. Etwas, was keiner brutal behandeln und dann einfach wie Müll am Wegrand abladen kann.«
Hunter vermochte vor Erschütterung nicht zu sprechen. Er ahnte, daß Case damit andeuten wollte, wie Ted und Klein Em gestorben waren. Über dieses Thema zu diskutieren hatte er sich immer beharrlich geweigert.
Bis jetzt.
»Ich werde nie wieder davon anfangen«, sagte Case. »Du sollst nur wissen, daß du das einzige Lebewesen bist, für das ich noch Zuneigung empfinden kann, seit ich damals die Kinder gefunden habe. Wenn Frechdachs es schafft, dich zum Frieden mit dir selbst zu bewegen, dann werde ich mich so für dich freuen, wie ich mich überhaupt noch über irgend etwas freuen kann.«
Hunter schloß die Augen, als eine Woge von Schmerz über ihn hinwegrollte, Schmerz und Trauer um all das, was ihnen die grausame Vergangenheit genommen hatte.
Und ein Teil des Verlusts, den Hunter betrauerte, betraf Cases Lachen. In gewisser Weise war sein Bruder ebenso tot wie seine Kinder.
»Case ...«
Er bekam keine Antwort.
Case war so lautlos wieder in der Dunkelheit verschwunden, wie er aufgetaucht war.
21
»Ich muß dir etwas zeigen.«
Elyssa schnappte erschrocken nach Luft und fuhr so schnell herum, daß sie beinahe ihren Becher mit Frühstückskaffee hätte fallen lassen.
Ihrer Meinung nach war Hunter fort. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus hatte sie beobachtet, wie er kurz nach Einbruch der Morgendämmerung mit Bugle Boy die Ranch verlassen hatte. Dann, als Hunter sich nicht mehr wie eine verschwommene Silhouette gegen den heller werdenden Horizont abzeichnete, hatte Elyssa tief durchgeatmet.
Es war ihr erster tiefer Atemzug seit dem vergangenen Tag gewesen, als die zärtliche Berührung von Hunters Zunge einen heißen Schauder über ihre Haut hatte prickeln lassen.
Die Düsterkeit in seinen Augen verfolgte sie.
»Ich dachte, ich hätte dich heute morgen wegreiten sehen«, sagte sie.
Hunter blickte sie unter halb gesenkten Lidern an. Sie trug wieder die unförmige Männerkleidung, die ihre Reize verhüllte. Er mußte zwar zugeben, daß sie für die Rancharbeit weitaus besser geeignet war; aber er vermißte das Schimmern und geheimnisvolle Rascheln von Seidenröcken, die um ihre Fesseln wirbelten.
»Das bin ich ja auch«, erwiderte er in neutralem Tonfall. »Und dann stieß ich durch Zufall auf etwas, was du sehen mußt.«
»Was denn?«
Er schüttelte den Kopf.
»Wenn ich es dir jetzt schon sage, wirst du voreingenommen sein«, erklärte er. »Ich brauche deinen ersten Eindruck. Wie schnell kannst du fertig sein zum Ausreiten?«
Verwirrt stellte Elyssa ihren Kaffeebecher ab. Als sie sich wieder zu Hunter umwandte, sagte sie sich, daß ihr Herz nur deshalb schneller schlug, weil sie erschrocken war. Es konnte einfach
nicht sein, daß es so raste, nur weil sie im Begriff war, wieder mit Hunter über Land zu reiten.
Allein.
»Wo geht es hin?« wollte sie wissen.
»Nicht weit.«
Innerhalb von wenigen Minuten waren Hunter und Elyssa aufgesessen und trabten in die Wildnis hinaus. Hunter ritt mit seinem Gewehr quer vor sich auf dem Sattel, während sein Blick unaufhörlich die Landschaft absuchte.
Elyssa ritt auf die gleiche Weise. Der einzige Unterschied war der, daß ihr Blick immer wieder zu Hunter schweifte. Als sie sich dessen bewußt wurde, war sie wütend auf sich selbst.
Es machte keinen Unterschied, sie konnte nichts dagegen unternehmen. Hunter zog ihre Blicke an wie Licht eine Motte. Die unglaubliche Zärtlichkeit seiner Liebkosung vom Tag zuvor brannte noch immer wie Feuer auf ihrem Handgelenk.
Wenn sie schlief, träumte sie von ihm.
Wenn sie wach war, hallten seine Worte verführerisch in ihren Gedanken wider und untergruben ihren Zorn.
Es gibt noch so vieles, was du nicht weißt, so vieles, was du von mir lernen kannst.
Schweigend folgte Elyssa Hunter durch die Wildnis. Die Stürme hatten ihre Spuren auf dem gelbbraunen Grasland hinterlassen. Der größte Teil der Halme war von Wind und Regen plattgewalzt worden. Für die tiefer gelegenen Regionen brachte der Herbst immer Verwüstung und Rückzug mit sich.
Aber hoch oben auf den Flanken der Berge standen Espen
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