Feuerherz
raus?«, fragte ich Leon, der jetzt in sein Heft sah und die schwarzen Haare aus seiner Stirn strich.
»Minus drei und du?«
Ich radierte mein Ergebnis aus. »Ich jetzt auch.«
Leon sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Aber der Weg ist immer noch falsch!«, protestierte er und seine Stimme kiekste nach oben. Armer Kerl, er war nun schon seit einem Jahr im Stimmbruch, aber bei ihm war es eher ein schleichender Prozess. Er quiekte also nicht die ganze Zeit, sondern nur ab und an.
»Mir doch egal …« Ich konnte eh an nichts anderes mehr denken, als endlich das Geburtstagskind Ilian zu Gesicht zu bekommen. Was sollte ich machen? Ich war süchtig nach ihm, auch wenn er nie mir gehören würde.
»Lissy«, seufzte Leon und begann in meinem Heft herumzukrakeln.
»Schatzemann, das ist mir eeeegaaaahaaaal!«
Seine liebevollen blauen Augen sahen mich vorwurfsvoll an. Ich wuschelte ihm über den Kopf und schob ihn von meinem Heft weg.
»Und wenn wir abgeben müssen?«
»Müssen wir schon nicht.«
»Willst du nicht wenigstens den richtigen Weg abschreiben?«
»Hase, bleib mal cool! Ich schreibe doch jetzt nicht ab. Wozu habe ich den Scheiß denn dann gestern überhaupt gemacht?!« Es war echt zu süß, wie er um meine Mathekenntnisse besorgt war!
»Aber Mathe ist …«
»Wenn du jetzt sagst«, unterbrach ich ihn, »Mathe ist wichtig, zieh ich dich an deinen Eiern durch die Klasse!«
Sein Mund klappte augenblicklich zu und er begann am Rand seines Heftes kleine Kringel zu malen. Ein paar Sekunden später holte er Luft zum Reden.
»NEIIIIEEEEN!«, sang ich vor mich hin und Leo begann zu lachen.
»Du bist so ein Sturkopf!«
»Ich tu mein Bestes.«
Frau Goldstein, unsere Mathelehrerin, betrat das Klassenzimmer. Es war Leon zu verdanken, dass ich in diesem Kurs saß. Mit seiner Nachhilfe hatte ich mich in den A-Kurs gemausert. Die Lehrerin begann damit, die Hausaufgaben abzufragen. Ich meldete mich freiwillig bei einer Aufgabe, die Leon und ich gleich hatten und entkam somit der bösen, falschen Aufgabe vier. Natürlich sammelte Frau Goldstein die Hefte nicht ein. Triumphierend lächelte ich Leon zu, der ein leises »Glück gehabt!« knurrte. Ich legte ihm versöhnlich meinen Kopf auf die Schulter und verweilte da den Rest der Stunde (außer einer von uns meldete sich). Das war ein angenehmes Plätzchen, die optimale Höhe, ein lieber, vertrauter Duft nach Seife und Salamibrötchen. Es wäre alles so einfach, wenn Leon und ich uns einfach ineinander verknallen könnten.
Seufzend erhob ich mich, nachdem es geklingelt hatte. Frau Goldstein zwinkerte mir glücklich zu, weil ich heute so schön mitgemacht hatte und schenkte dann Leon ein anerkennendes Nicken. Sie wusste genau, wie der Hase lief.
»Kommst du mit in die Kantine?«, fragte ich meinen Kumpel.
»Und Mischa?«, fragte er.
»Wie wäre es wenn wir erst in der Kantine essen und Mischa mitkommt. Sie darf da zwar nicht ihr Essen auspacken, aber wir können ja schnell machen und dann gemeinsam in den Park gehen?!« Wäre doch blöd, wenn wir wegen der Sache unsere Mittagspause jetzt immer getrennt verbringen müssten. « Leon nickte und wir schlenderten gemeinsam zu dem »Zutritt-nur-für-Lehrer-und-Schüler«- Schild, an dem wir uns immer zu den Pausen trafen. Mischa wartete bereits.
»Hallo ihr zwei!«, rief sie uns zu und ging dann auf Zehenspitzen, um Leon und mich mit Küsschen zu begrüßen. An Leons Wange verweilte sie etwas länger als an meiner. Ein Grinsen stahl sich in mein Gesicht.
»Wo ist meine Frau?«, wollte ich wissen und sah mich um.
»Seid ihr zwei das Spielchen nicht langsam leid?«, gluckste Leon und begann ebenfalls den Schulhof nach ihr abzusuchen. Ich entdeckte sie, wie sie gerade aus dem Hauptgebäude kam … aber …
»Spricht die da gerade mit Arva Zmej?«, schrillte Mischas Stimme an mein Ohr. Ja, das tat sie. Mit einem Winken verabschiedete sie sich und rannte auf uns zu. Ihre Augen schrien förmlich: NEUIGKEITEN! Um Kontrolle ringend kam sie bei uns an und begrüßte uns der Reihe nach.
»Was wolltest du von Arva?«, schoss es aus Mischa heraus.
»Das wüsste ich auch gerne«, brummte ich leise vor mich hin.
»Wir wurden in Bio mal wieder nach Nachnamen in Gruppen eingeteilt, also rutschte Herr Balaur zu eurer juten, alten Frau Brenner in die Gruppe. Da aber der feine Herr heute zu Hause geblieben ist«, ihr Blick schweifte kurz zu mir, »bat Frau Schmmmei oder so – Mensch, den Namen kann keiner aussprechen –
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