Feuerherz
riskieren, dass Papa hier im Zimmer auftauchte, und als Geburtstagskind war meine Anwesenheit nun mal gefragt.
***
Als ich nach einer endlosen Stunde mit Carmen, meinem Vater, Thomas und Kassandra allein wieder in mein Zimmer kam, schien Ilian gerade aufzuwachen.
»Hey!«, flüsterte ich und sah zu Trulli und Egon, die grummelnd im Käfig saßen und Ilian böse anfunkelten. »Die zwei mögen dich nicht.«
»Das tun die wenigsten Tiere«, antwortete Ilian mit kratziger Stimme. Er drehte sein Gesicht ins Kissen und raufte sich die Haare. Mann, hatte der Kerl Muckis in seinen so dünn wirkenden Armen. Holla, die Waldfee! Mir wurde bewusst, dass er splitterfasernackt in meinen Laken lag. Jammi, Balaur-Nudel meets Lissys Matratze. Da ging es meinem zerschundenen Gesicht doch gleich besser.
»Du musst mir echt ein paar Dinge erklären, bevor ich noch irre werde!«, sagte ich und setzte mich neben ihn auf mein Bett. Na toll, jetzt konnte ich nur daran denken, dass sein Ding irgendwo da lag, wo sonst mein Hintern sich bettete. Mensch Lissy, konzentriere dich, schimpfte ich mich innerlich selbst.
»Ich kann es mir schon fast denken«, begann er und drehte sich unter Ächzen und Stöhnen auf die Seite. »Arva und Roran, hmh?«
»Oh ja, zum Beispiel!«
Er seufzte und rieb sich über die Stirn. »Es gibt nicht mehr viele Drachen auf der Welt. Wir sind nicht mal mehr im dreistelligen Bereich. Aus dem Grund verlangen die Brutmütter von uns, dass wir frühzeitig anfangen uns fortzupflanzen.«
»Deswegen bist du jetzt schon Papa?«
»Na ja, es ist schwer zu erklären, aber du darfst das nicht mit menschlichen Maßstäben messen. Bei Kindern haben wir kein Gefühl von deins oder meins , sondern nur unser . Ich fühle, so hart sich das für Menschenohren auch anhören muss, für Roran nichts anderes als das, was ich auch für meine Geschwister fühle. Drachenkinder werden im Verbund großgezogen. Nur nach außen hin mimen wir ein menschliches Familienleben.« Gott, war das kompliziert. »Von daher ist es durchaus schon immer üblich gewesen, dass auch die Eier von noch recht jungen Drachenweibchen, die sich noch gar nicht verwandelt haben, befruchtet wurden.« Das Thema schien ihm unangenehm zu sein und er errötete irgendwo unter den blauen Flecken. »Es gibt keine Schwangerschaften bei uns. Das Ei wird gelegt und, wie dein Bruder schon richtig erklärt hat, im Feuer aufbewahrt, wo es früher oft zusammen mit vielen anderen Eiern reifte. Damals konnte man nachher gar nicht mehr sagen, welches von wem war. Bei Roran weiß ich es so genau, weil er alleine im Feuer lag.« Er zuckte mit den Schultern und bereute es sofort schmerzvoll. »Er ist für mich nichts anderes als ein Kind meines Nests, welches es zu schützen gilt.«
»Ja, aber ich finde das schon alles ein wenig krass. Ich meine, ihr Männer dürft nur ran, wenn die Olle rollig ist, oder wie?«
»Ähm ja, so könnte man es beschreiben.«
»Und du musst immer springen, wenn es bei Arva so weit ist?«
»Das klingt so grausam«, gluckste er. »Ich wurde Arva bereits bei ihrer Geburt zugeteilt, wir wuchsen zusammen auf, sind beste Freunde geworden.« Daher also das Bild an seiner Wand. »Arva und Milda sind ein Paar, sie lieben sich und ich – ich passe auf die zwei auf.«
»Was?«, kreischte ich fast. »Milda musst du auch besteigen?«
Ilian lachte und kam dadurch ins Husten. »Nein, Mildas Wächter war mein großer Bruder Dean.«
Ich seufzte verzweifelt. Das war alles ein schlechter Traum.
»Deswegen wohnen wir alle dort so nah beieinander. Wir passen gegenseitig auf uns auf und beschützen die Brut. Es mag für Menschen furchtbar klingen, aber für mich ist das normal.«
»Aber Dean ist doch jetzt verheiratet?!«
»Richtig.« Ilian wirkte verbittert. »Du hast ihn damals im Supermarkt getroffen, als er Fleisch für die Hochzeit gekauft hat, oder?«
Ich nickte.
»Er sagte mir, dass du ihn gefragt hast, warum er das nicht in der Metzgerei von Mildas Eltern geholt hat?«
»Ja, er sagte, dass sei eine lange Geschichte und ich glaube, ich weiß jetzt warum! Ist Dean jetzt nicht mehr Mildas Wächter?«
Ilian schüttelte seinen Kopf. »Die Brutmutter ist fuchsteufelswild deswegen und nur die Tatsache, dass die Balaurs einen blauen Drachen hervorgebracht haben, hält sie davon ab, uns zu verstoßen. Den Denkzettel hat natürlich meine Mutter stellvertretend für die Familie bekommen. Frauen haben bei uns nicht nur alle Rechte, sondern auch alle Pflichten und
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