Feuerkind
ungünstig beeinflußt.« Wieder erblühte sein Grinsen. »Allerdings, wenn sich Ihre Fähigkeit Plötzlich wieder einstellt ….«
»Es gibt einige Dinge, die Sie wissen sollten«, sagte Andy zu ihm. »Erstens war der Kerl nervös, erwartete etwas. Zweitens war er nicht gerade sehr gescheit. Es ist viel schwerer, alte Leute oder solche mit einem geringen oder höchstens durchschnittlichen IQ zu beeinflussen. Bei intelligenten Leuten ist es einfacher.«
»Stimmt das?« fragte Pynchot.
»Ja«
»Warum veranlassen Sie mich dann nicht auf der Stelle dazu, Ihnen Ihre Pille zu geben? Mein ermittelter IQ beträgt hundertfünfundfünfzig.«
Andy hatte es versucht – ohne jeden Erfolg.
Am Ende hatte er dann doch seinen Ausgang bekommen, und man hatte seine Dosis wieder heraufgesetzt – nachdem man überzeugt war, daß er nichts vortäuschte, sondern tatsächlich verzweifelt und erfolglos versuchte, psychische Beeinflussung auszuüben. Unabhängig voneinander fragten sich Andy und Dr. Pynchot, ob er sich auf der wilden Flucht, die ihn und Charlie von New York über Albany nach Hastings Glen geführt hatte, nicht völlig übernommen, seine Fähigkeit ganz einfach verbraucht hatte. Und beide überlegten, ob es sich nicht um eine Art psychischer Sperre handeln konnte. Andy selbst glaubte, daß er seine Fähigkeit entweder verloren hatte, oder daß es sich um einen Schutzmechanismus handelte: sein Verstand weigerte sich ganz einfach, die Fähigkeit anzuwenden, weil er wußte, daß es ihn töten könnte. Er hatte die gefühllosen Stellen an Wange und Hals und das blutunterlaufene Auge nicht vergessen.
Wie dem auch sei, es lief auf dasselbe hinaus – eine totale Pleite. Pynchots Träume vom Ruhm, den es ihm eintragen würde, daß er als erster beweisbare empirische Daten über psychische mentale Beherrschung anderer vorlegen konnte, war verflogen, und er ließ sich immer seltener bei Andy blicken.
5
Die Tests waren den ganzen Mai und den ganzen Juni hindurch fortgesetzt worden – zuerst mit weiteren Freiwilligen, dann mit völlig ahnungslosen Testpersonen. Sich der letzteren zu bedienen, war nicht sehr moralisch, wie Pynchot als erster zugab, aber die ersten Tests mit LSD waren auch nicht gerade moralisch gewesen. Andy staunte darüber, wie Pynchot das eine Unrecht zusammen mit dem anderen in eine Gleichung einbrachte, deren Lösung ergab, daß alles seine Ordnung habe-Es spielte ohnehin keine Rolle, denn Andy versagte bei allen Probanden.
Vor einem Monat, gleich nach dem Unabhängigkeitstag, hatte man angefangen, ihn an Tieren zu testen. Andy protestierte und gab zu bedenken, daß es noch schwerer war, ein Tier zu beeinflussen als einen dummen Menschen, aber seine Proteste verfingen bei Pynchot und seinem Team nicht, die in Wirklichkeit nur noch eine wissenschaftliche Untersuchung routinemäßig zu Ende führten. Und so sah sich Andy einmal wöchentlich mit einem Hund, einer Katze oder einem Affen zusammen in einem Raum und kam sich vor wie eine Figur aus einem absurden Roman. Er erinnerte sich an den Taxifahrer, der eine Dollarnote betrachtete und fünfhundert gesehen hatte. Er erinnerte sich an die gehemmten leitenden Angestellten, denen er Zuversicht und Selbstsicherheit vermittelt hatte. Vorher, in Port City, Pennsylvania, waren es die Schlankheitskurse gewesen, deren Klassen meist von einsamen, fetten Hausfrauen besucht wurden, die einen Hang zu Kuchen, Pepsi-Cola und allem hatten, was man zwischen zwei Schnitten Brot unterbringen konnte. Mit diesen Dingen füllten sie die erbärmliche Leere ihres Lebens aus. Sie hatte er nur ein wenig anzuticken brauchen, denn die meisten von ihnen wollten wirklich schlank werden. Er hatte ihnen dabei geholfen. Er dachte auch daran, was aus den beiden Agenten der Firma geworden war, die Charlie entführt hatten.
Er hatte diese Fähigkeit gehabt, jetzt hatte er sie nicht mehr. Also saß er hier in einem Raum mit Hunden, die ihm die Hand leckten, Katzen, die schnurrten, und Affen, die sich mürrisch den Hintern kratzten und manchmal das Maul zu einem Grinsen voller Fangzähne öffneten, das auf obszöne Weise Pynchots Grinsen ähnelte. Und natürlich tat keines dieser Tiere irgend etwas Ungewöhnliches. Danach brachte man Andy dann in seine Wohnung ohne Türknöpfe zurück, in einem weißen Napf in der Kochnische lag eine blaue Pille, und wenn er sie genommen hatte, fühlte er sich nicht mehr nervös und deprimiert, sondern wieder ganz gut. Und dann sah er sich einen Film an –
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