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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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haben mußte. Er hatte wieder ein Geheimnis. Es machte ihm schwer zu schaffen, wie es bei jedem der Fall ist, der ein bedeutsames Geheimnis zu wahren hat, aber gleichzeitig fühlte er sich wieder intakt und stark.
    Er führte sie an der Nase herum.
    Wie lange er das noch konnte, und ob es überhaupt etwas nützen würde, mochte Gott wissen, aber im Augenblick tat er es.
    Es war fast zehn Uhr morgens, und Pynchot, der Mann mit ewigen Grinsen, kam um zehn. Sie würden ein wenig im Spazierengehen und »seine Fortschritte diskutieren«, er hatte sich vorgenommen, ihn geistig zu beeinflussen … oder es wenigstens zu versuchen. Er hätte den Versuch schon vorher unternommen, wenn die Fernsehkameras und die vielen Wanzen nicht gewesen wären. Und die Wartezeit hatte ihmGelegenheit gegeben, sein Vorgehen genau zu überdenken und es immer wieder auf schwache Stellen zu untersuchen. Er hatte Teile des ganzen Drehbuchs im Geiste immer wieder neu geschrieben.
    Nachts, wenn er in der Dunkelheit im Bett lag, hatte er immer wieder an eines gedacht: Der Große Bruder sieht dich. Sag dir das immer wieder. Du mußt jeden Augenblick daran denken. Da Große Bruder vergißt dich nicht eine Sekunde lang, und wenn du Charlie wirklich helfen willst, mußt du sie alle weiter zum Narren halten.
    So wenig wie jetzt hatte er in seinem ganzen Leben nicht geschlafen, hauptsächlich weil ihn der Gedanke entsetzte, daß er im Schlaf reden könnte. Manche Nacht lag er stundenlang wach und wagte nicht, sich umzudrehen, weil sie sich dann vielleicht fragten, wieso ein Mann, der unter Drogen stand, so unruhig schlief. Und wenn er wirklich schlief, war es ein leichter Schlaf, in den sich Träume drängten (oft kam in ihnen die Gestalt des einäugigen Piraten John Silver mit dem Holzbein vor), aus denen er schnell wieder erwachte.
    Die Pillen verschwinden zu lassen, war das geringste Problem, denn sie glaubten ja, daß er sie dringend brauchte. Er bekam sie jetzt viermal täglich, und seit dem Stromausfall hatte es keine Tests mehr gegeben. Er vermutete, daß sie aufgegeben hatten und daß Pynchot ihm das heute während ihres Spaziergangs mitteilen wollte.
    Manchmal spuckte er die Pillen in die vorgehaltene Hand und versteckte sie in Essenresten, die er dann in den Müllschlucker warf. Andere gingen in die Toilette, und manchmal gab er vor, sie mit Ginger Ale zu nehmen. Er spuckte die Pillen in das halb leere Glas und ließ es stehen, bis sie sich auflösten. Später goß er sie in das Spülbecken.
    In diesen Dingen war er weiß Gott kein Profi. Das waren eher die Leute, die ihn überwachten. Aber er glaubte nicht, daß sie ihn noch sehr intensiv überwachten. Und wenn, dann würden sie ihn eben erwischen. Das war alles.
    Dreyfuss und die Frau, deren Sohn die Leute von der fliegen den Untertasse mitgenommen hatten, bestiegen gerade den Teufelsberg, als er kurz den Summer hörte, der den Stromkreis unterbrach, damit die Tür geöffnet werden konnte. Andy dachte nicht daran aufzuspringen.
    Man muß sie täuschen, sagte er sich wieder.
    Herrman Pynchot trat ein. Er war kleiner als Andy, aber sehr schlank; er hatte etwas Weibisches an sich, das war Andy schon immer aufgefallen, aber man konnte es nicht genau definieren. Heute sah er sehr adrett aus in seinem dünnen grauen Rollkragenpullover und dem leichten Jackett. Und natürlich grinste er.
    »Guten Morgen, Andy«, sagte er.
    »Oh«, sagte Andy. und schwieg, als dächte er nach. »Hallo, Dr. Pynchot.«
    »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich das Ding abstelle? Wir sollten einen kleinen Spaziergang machen.«
    »Oh.« Andy zog nachdenklich die Stirn kraus. »Natürlich. Ich habe den Film schon drei-oder viermal gesehen. Aber mir gefällt das Ende. Wunderbar. Die Ufos entführen ihn. Zu den Sternen.«
    »Wirklich?« sagte Pynchot und schaltete das Gerät aus. »Gehen wir?«
    »Wohin?« fragte Andy.
    »Unser Spaziergang«, sagte Pynchot geduldig. »Wissen Sie das nicht mehr?«
    »Oh«, sagte Andy. »Natürlich.« Er stand auf.
5
    Der Korridor vor Andys Wohnung war breit und mit Fliesen ausgelegt. Die Beleuchtung war gedämpft und indirekt. Irgendwo mußte sich ein Computerzentrum befinden; Leute mit Lochkarten gingen irgendwo hinein, andere kamen mit Stößen von Ausdrucken wieder heraus, und das Summen von Maschinen war zu hören.
    Ein junger Mann mit einem Anzug von der Stange – der Inbegriff eines Regierungsagenten – lungerte vor der Tür herum. Der Agent gehörte zur Routine, aber während Andy und

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