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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mehr?«
    »Nicht so viel wie sonst«, sagte sie einschränkend. »Wann darf ich wohl meinen Vater sehen?«
    Ein wenig grob, wie unter guten Freunden, legte er ihr den Arm um die Schulter. »Du mußt ihnen schon ein bißchen Zeit lassen, Charlie.«
19
    Am Nachmittag bewölkte sich der Himmel, und abends setzteein kalter Herbstregen ein. In einem Haus in einem kleinen und sehr exklusiven Vorort – er hieß Longmont Hills und lag ganz in der Nähe – baute Patrick Hockstetter in seiner Werkstatt an einem Schiffsmodell (die Schiffe und sein generalüberholter Thunderbird waren seine einzigen Hobbys, und im Haus standen Dutzende von Walfängern, Fregatten und Postdampfern herum) und dachte an Charlie McGee. Er hatte äußerst gute Laune. Er hatte das Gefühl, daß seine Zukunft gesichtert war, wenn er Charlie noch zu einem Dutzend weiterer Tests veranlassen konnte – vielleicht genügten auch zehn. Er konnte dann den Rest seines Lebens daran verwenden, die Eigenschaften von Lot Sechs zu untersuchen … und natürlich hatte er eine beträchtliche Gehaltsaufbesserung zu erwarten. Sorgfältig leimte er den Besanmast fest und fing an zu pfeifen.
    In einem anderen Haus in Longmont Hills zog sich Herman Pynchot einen Slip seiner Frau über seine gewaltige Erektion. Seine Frau war auf einer Party. Eins seiner wohlgeratenen Kinder war zu einem Pfadfindertreffen gegangen, und das andere wohlgeratene Kind nahm in seiner Schule an einem Schachturnier teil. Pynchot legte sorgfältig den BH seiner Frau an und hakte ihn am Rücken fest. Schlaff hing er vor seiner schmalen Brust. Er betrachtete sich im Spiegel und fand … daß er schön aussah. Ohne sich um die nicht verhängten Fenster zu kümmern, ging er in die Küche. Er stellte sich neben die Spüle und schaute in den neu installierten Müllschlucker. Nach langem Nachdenken schaltete er ihn ein. Und beim Geräusch der herumwirbelnden Stahlzähne des Zerkleinerers legte er Hand an sich und onanierte. Als der Orgasmus gekommen und wieder gegangen war, fuhr er zusammen und schaute sich um. Nacktes Entsetzen stand in seinen Augen, es waren die Augen eines Mannes, der aus einem Alptraum erwacht. Er stellte den Müllschlucker ab und rannte ins Schlafzimmer, wobei er sich duckte, als er die Fensterfront passierte. Ihm dröhnte der Kopf. Was in Gottes Namen war nur mit ihm los?
    In einem dritten Haus in Longmont Hills – ein Haus am Berghang, das sich Leute wie Hockstetter und Pynchot nie im
    Leben erlauben konnten – saßen Cap Hollister und Rainbird und tranken Brandy. Sie saßen im Wohnzimmer, und aus Cap-Stereo-Anlage erklang Musik von Vivaldi. Vivaldi war einer der Lieblingskomponisten seiner Frau gewesen. Arme Georgia.
    »Ich bin Ihrer Meinung«, sagte Cap langsam und wunderte sich zum wiederholten Mal, warum er diesen Mann, den er haßte und fürchtete, zu sich nach Hause eingeladen hatte. Die Fähigkeiten dieses Mädchens waren außergewöhnlich, und außergewöhnliche Fähigkeiten begründeten gelegentlich seltsame Kumpanei. »Die Tatsache, daß sie so beiläufig vom ›nächsten Mal‹ gesprochen hat, ist von größter Bedeutung.«
    »Ja«, sagte Rainbird. »Wir scheinen gute Karten zu haben.«
    »Aber das wird nicht ewig dauern.« Cap ließ den Brandy in seinem Schwenker kreisen und zwang sich dazu, Rainbird in dessen einziges Auge zu schauen. »Ich glaube, ich weiß, wie Sie unsere Glückssträhne verlängern wollen, auch wenn Hockstetter es nicht kapiert.«
    »Wirklich?«
    »Ja«, sagte Cap und ließ eine Pause eintreten. Dann fügte er hinzu: »Es ist gefährlich für Sie.«
    Rainbird lächelte.
    »Wenn sie merkt, auf welcher Seite Sie wirklich stehen« sagte Cap, »haben Sie eine gute Chance festzustellen, wie sich ein Steak in einem Mikrowellenherd fühlt.«
    Rainbirds Lächeln verwandelte sich in ein unfrohes Haifischgrinsen. »Und würden Sie darüber auch nur eine einzige Träne vergießen, Captain Hollister?«
    »Nein«, sagte Cap. »Warum sollte ich lügen? Aber seit einiger Zeit – schon bevor sie es wirklich tat – habe ich das Gefühl daß der Geist des alten Dr. Wanless hier herumschwebt. Manchmal hockt er mir direkt auf der Schulter.« Über den Rand seiner Brille sah er Rainbird an. »Glauben Sie an Geister, Rainbird?«
    »Ja.«
    »Dann wissen Sie, was ich meine. Während meiner letzten Unterredung mit ihm hat er versucht, mich zu warnen. Er gebrauchte eine Metapher – warten Sie – John Milton, der mit sieben Jahren versucht, in leserlichen Buchstaben

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