Feuerkind
würde er eine lange Pause machen (wie auch jetzt), um abzuwarten, ob Andy weiterplaudern, gedankenlos daherreden würde. Die Standardtechnik bei einem Verhör. Andy spürte förmlich die Fallen. Es war natürlich ein Echo gewesen. Er hatte Pynchot den Anstoß gegeben und ein Echo ausgelöst, das den Mann zerstört hatte. Andy konnte darüber beim besten Willen kein Bedauern empfinden. Er war entsetzt… und der Höhlenmensch in ihm sprang herum und freute sich.
»Sind Sie sicher … ich meine, manchmal sieht ein Unfall wie –«
»Ich fürchte, es war kein Unfall.«
»Hat er eine Nachricht hinterlassen?«
(und mich erwähnt?)
»Er hat sich die Unterwäsche seiner Frau angezogen, ist in die Küche gegangen, hat den Müllzerkleinerer eingeschaltet und den Arm hineingesteckt.«
»Oh … mein … Gott.« Andy ließ sich schwer auf den Stuhl fallen. Er hatte plötzlich keine Kraft mehr in den Beinen. Er starrte Cap Hollister angewidert und entsetzt an.
»Sie haben doch nichts damit zu tun, Andy?« fragte Cap. »Sie haben ihm doch nicht etwa den Anstoß dazu gegeben?«
»Nein«, sagte Andy. »Selbst wenn ich es noch könnte, warum sollte ich so etwas tun?«
»Vielleicht, weil Sie nicht nach Hawaii geschickt werden wollten«, sagte Cap. »Vielleicht wollten Sie nicht nach Maui, weil Ihre Tochter noch hier ist. Vielleicht haben Sie uns die ganze Zeit zum Narren gehalten, Andy.«
Und obwohl Cap Hollister gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt war, fühlte Andy sich erleichtert. Wenn Cap wirklich davon überzeugt war, daß Andy Pynchot dazu veranlaßt hatte, hätte er dieses Interview nicht unter vier Augen mit ihm geführt. Nein, er hielt sich nur an die Routine. Wahrscheinlich hatten sie in Pynchots Lebenslauf genügend Gründe gefunden, die einen Selbstmord rechtfertigen konnten, und hatten es nicht nötig, wegen undurchsichtiger Mordmethoden zu ermitteln. Hieß es nicht, daß Psychiater unter allen Berufen die höchste Selbstmordrate aufwiesen?
»Nein, das stimmt nicht«, sagte Andy. Seine Stimme klang ängstlich und verwirrt. Fast schluchzte er. »Ich wollte nach Hawaii. Das habe ich ihm auch gesagt. Deshalb wollte er wohl auch noch einige Tests machen. Irgendwie mochte er mich wohl nicht. Aber ich habe nichts zu tun mit … mit dem, was ihm passiert ist.«
Cap sah ihn nachdenklich an. Ihre Blicke trafen sich kurz, und Andy schlug die Augen nieder.
»Ich glaube Ihnen, Andy«, sagte Cap. »Herrn Pynchot hat seit einiger Zeit unter ziemlichem Druck gestanden. Das gehört wohl zu unserem Leben. Bedauerlich. Zu allem Überfluß noch dieses heimliche Transvestitentum. Seine Frau kann einem leid tun. Aber wir müssen uns um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern, Andy.« Andy fühlte, wie die Augen des Mannes ihn durchbohrten. »Wir kümmern uns immer um unsere eigenen Angelegenheiten. Das ist das Wichtigste.«
»Gewiß«, sagte Andy dumpf.
Dann trat ein längeres Schweigen ein. Nach einer Weile schaute Andy auf, aber Cap sah ihn nicht an. Er starrte auf den hinteren Rasen und die Erlen, und sein Gesicht sah schlaff und alt aus, das Gesicht eines Mannes, der an die alte, vielleicht gute Zeit dachte. Er merkte, daß Andy ihn ansah, und ganz kurz zeigte sein Gesicht einen Anflug von Ekel. Plötzlich flackerte wütender Haß in Andy auf. Warum sollte Hollister nicht Widerwillen zeigen? Er sah einen fetten Drogensüchtigen vor sich sitzen – jedenfalls glaubte er das. Aber wer gab hier die Befehle? Und was hast du Ungeheuer mit meiner Tochter vor?
»Nun«, sagte Cap. »Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß Sie ohnehin nach Maui gehen, Andy – es ist ein übler Wind, der nicht irgendwem auch etwas Gutes zubläst, heißt es nicht so ähnlich? Ich habe schon die entsprechenden Formulare ausgefüllt.«
»Aber … hören Sie, Sie glauben doch nicht wirklich, daß ich mit dem, was Dr. Pynchot passiert ist, etwas zu tun habe?«
Nein, natürlich nicht.« Wieder der Anflug von Ekel in seinem Gesicht. Und diesmal empfand Andy diese unschöne Befriedigung, die, wie er sich vorstellte, ein Schwarzer empfinden mußte, der einen unsympathischen Weißen aufs Kreuz gelegt hat. Aber vorherrschend war sein Erschrecken über den Satz Ich habe die entsprechenden Formulare schon ausgefüllt.
»Das ist ja sehr schön. Der arme Dr. Pynchot.« Es gelang ihm, einen Augenblick niedergeschlagen zu wirken, und dann sagte er eifrig: »Wann fliege ich?«
»So bald wie möglich, spätestens Ende nächster Woche.«
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