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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gegen Pynchot wollte er nicht wieder zustoßen, denn Pynchot war im Begriff, den Verstand zu verlieren – davon war Andy überzeugt. Seit ihrem gemeinsamen Spaziergang zum Ententeich hatte Pynchot an Körpergewicht verloren. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, als ob er zu wenig Schlaf bekäme. Manchmal fing er an zu sprechen und verstummte dann, als ob er den Faden verloren hätte … oder unterbrochen worden sei.
    Das alles brachte Andy in eine um so gefährlichere Lage. Wie lange würde es dauern, bis Pynchots Kollegen merkten, was mit ihm vorging? Zuerst hielten sie es vielleicht für nervöse Störungen. Was aber, wenn sie es mit Andy in Verbindung brachten? Das wäre das Ende jeder noch so geringen Chance, zusammen mit Charlie hier rauszukommen. Und er hatte immer stärker das Gefühl, daß Charlie sich in großer Gefahr befand.
    Aber wie in aller Welt konnte er dem Großen Bruder beikommen? Er holte sich eine Grapefruit aus dem Kühlschrank, ging ins Wohnzimmer zurück und setzte sich vor das Fersehgerät, ohne es überhaupt zu sehen. Sein Verstand suchte rastlos nach einem Ausweg. Aber als dieser Ausweg kam, kam er (wie der Stromausfall) völlig überraschend. In gewisser Weise war es Herman Pynchot, der ihm die Tür öffnete: er tat es durch seinen Tod.
21
    Zwei Männer kamen, um ihn zu holen. Er kannte einen von ihnen von der Mandersfarm.
    »Kommen Sie, alter Junge«, sagte der. »Kleiner Spaziergang.«
    Andy lächelte albern, aber innerlich fing für ihn das Entsetzen an. Etwas war geschehen. Etwas Schlimmes war geschehen; sie schickten nicht solche Leute, wenn es sich um etwas Gutes handelte. Vielleicht war man ihm auf die Schliche gekommen. »Wohin?«
    »Einfach nur mitkommen.«
    Sie führten ihn zum Fahrstuhl, aber als sie im Tanzsaal ausstiegen, gingen sie nicht nach draußen, sondern weiter ins Gebäude hinein. Sie gingen am Sekretärinnenbüro vorbei und betraten einen kleineren Raum, in dem eine Sekretärin an einer IBM-Schreibmaschine Korrespondenz erledigte.
    »Sie können gleich hineingehen«, sagte sie.
    Sie gingen rechts an ihr vorbei und durch eine Tür in ein kleines Büro mit einem Panoramafenster, das durch ein Erlen-gestrüpp hindurch den Blick auf den Ententeich freigab. Hinter einem altmodischen Rollschreibtisch saß ein älterer Mann mit einem scharfgeschnittenen intelligenten Gesicht; seine Wangen waren gerötet, aber eher von Sonne und Wind als von Alkohol, wie Andy erkannte.
    Er schaute zu Andy auf und nickte den Männern zu, die ihr hergebracht hatten. »Sie können draußen warten.«
    Sie verschwanden.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch sah Andy aufmerksam an, und dieser gab den Blick freundlich zurück und lächelte leise. Er hoffte nur, daß er nicht übertrieb. »Hallo, wer sind Sie? fragte er.
    »Mein Name ist Captain Hollister, Andy. Sie können mich Cap nennen. Man erzählt mir, daß ich diese Wildwest-Show leite.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Andy und lächelte ein wenig breiter, aber innerlich wuchs seine Spannung.
    »Ich habe eine traurige Nachricht für Sie, Andy.«
    O Gott, nein, es geht um Charlie. Etwas ist mit Charlie passiert!)
    Cap beobachtete ihn mit seinen kleinen klugen Augen, die so tief zwischen Faltengewirr begraben waren, daß man kaum merkte, wie kalt und aufmerksam sie blickten.
    »So?«
    »Ja«, sagte Cap und schwieg einen Augenblick. Das Schweigen zog sich quälend in die Länge.
    Cap betrachtete inzwischen seine Hände, die er vor sich auf der Schreibunterlage gefaltet hatte. Andy mußte sich bis aufs äußerste beherrschen, um nicht über den Schreibtisch zu springen und den Mann zu erwürgen.
    Cap schaute vom Tisch auf.
    »Dr. Pynchot ist tot, Andy. Er hat sich gestern abend umgebracht.«
    Andys Unterkiefer fiel herab. Ein ungeheures Gefühl der Erleichterung überkam ihn, aber ebensosehr empfand er Entsetzen. Und über allem, wie ein tobender Himmel über der aufgewühlten See, das Wissen, daß dies alles veränderte … aber wie? Wie?
    Cap beobachtete ihn. Er ist mißtrauisch. Er hat einen Verdacht. Aber hat er einen ernsthaften Verdacht, oder gehört Mißtrauen einfach nur zu seinem Job?
    Hundert Fragen. Viele hundert Fragen. Er brauchte Zeit, darüber nachzudenken, aber er hatte keine Zeit. Er mußte seine Denkarbeit im Stehen erledigen.
    »Das überrascht Sie?« fragte Cap.
    »Er war mein Freund«, sagte Andy nur und schloß den Mund, um nicht noch mehr zu sagen. Dieser Mann würde ihm geduldig zuhören; nach jeder Bemerkung

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