Feuerkind
seinem Namen zu schreiben, und der als Erwachsener dann Das Verlorene Paradies schrieb. Er sprach über ihr … ihr Zerstörungspotential.«
»Ja«, sagte Rainbird, und sein Auge leuchtete.
»Er fragte mich, was wir tun würden, wenn wir feststellten, daß dieses kleine Mädchen, das jetzt nur Feuer anzünden kann, eines Tages in der Lage sein wird, nukleare Explosionen zu verursachen, die diesen Planeten in zwei Hälften spalten können. Ich fand das witzig, ein wenig irritierend, und ganz gewiß hielt ich es für eine verrückte Idee.«
»Und nun glauben Sie, daß er vielleicht recht hatte.«
»Sagen wir lieber, ich mache mir manchmal gegen drei Uhr morgens Gedanken darüber. Sie nicht auch?«
»Cap, als die mit dem Manhattan-Projekt befaßten Wissenschaftler ihre erste Atombombe zündeten, wußte niemand genau, was geschehen würde. Manche waren der Ansicht, daß die Kettenreaktion nicht mehr aufzuhalten sein würde – daß draußen in der Wüste bis zum Ende der Welt eine Miniatursonne glühen würde.«
Cap nickte langsam.
»Auch die Nazis waren schrecklich«, sagte Rainbird. »Die Japse waren schrecklich. Heute sind die Deutschen und die Japaner nette Leute, und die Russen sind schrecklich. Die Moslems sind schrecklich. Wer weiß, wer morgen schrecklich sein wird?«
»Sie ist gefährlich«, sagte Cap unruhig. »Da hat Wanless recht gehabt.«
»Vielleicht.«
»Hockstetter sagt, daß die Stelle, an der das Tablett die Wand traf, sich gewellt hat. Sie bestand aus Stahlblech, aber sie hat sich durch die Hitze gewellt. Das Tablett selbst wurde völlig verbogen. Sie hat es geschmolzen. Das kleine Mädchen hat wahrscheinlich für Sekundenbruchteile eine Temperatur von über 1800 Grad verursacht.« Er schaute Rainbird an, aber der sah sich nur gelangweilt im Zimmer um, als hätte er jedes Interesse verloren. »Was ich damit sagen will – Ihr Plan ist gefährlich. Nicht nur für Sie, sondern für uns alle.«
»O ja«, sagte Rainbird selbstzufrieden. »Die Sache ist nicht ohne Risiko. Aber vielleicht bleibt es uns erspart. Vielleicht hat Hockstetter, was er braucht, bevor wir … äh, den Plan B durchführen.«
»Hockstetter ist ein komischer Typ«, sagte Cap kurz. »Er ist süchtig nach Informationen. Er wird nie genug bekommen. Er könnte sie zwei Jahre lang testen und würde immer noch schreien, daß es voreilig ist, wenn wir … wenn wir sie fortschaffen. Sie wissen es, und ich weiß es. Warum sollten wir um den Brei herumreden?«
»Wir werden wissen, wann es Zeit ist«, sagte Rainbird. »Ich werde es wissen.«
»Und was geschieht dann?«
»Dann kommt John, der freundliche Wärter, ins Bild«, sagte Rainbird und lächelte. »Er wird sie begrüßen und mit ihr reden und sie zum Lachen bringen. John, der freundliche Wärter, wird es schaffen, daß sie sich glücklich fühlt, denn er ist der einzige, der das kann. Und wenn John das Gefühl hat, daß ihr Glücksgefühl den Höhepunkt erreicht hat, wird er sie auf das Nasenbein schlagen, daß ihr die Knochensplitter ins Gehirn dringen. Es wird schnell gehen … und wenn es geschieht, werde ich ihr in die Augen sehen.«
Er lächelte – und diesmal erinnerte sein Lächeln nicht an das eines Hais. Es war sanft und freundlich … und väterlich. Cap trank seinen Brandy aus. Er brauchte ihn jetzt. Er hoffte nur, daß Rainbird tatsächlich den richtigen Zeitpunkt erkennen würde, oder sie würden alle feststellen, wie sich ein Steak in einem Mikrowellenherd fühlt.
»Sie sind verrückt«, sagte Cap. Er hätte das Wort gern ungesprochen gelassen, aber Rainbird schien keinen Anstoß zu nehmen.
»O ja«, sagte er und trank ebenfalls seinen Brandy aus. Er lächelte immer noch.
20
Der Große Bruder. Der Große Bruder war das Problem.
Andy ging aus dem Wohnzimmer seiner Unterkunft in die Küche. Er zwang sich dazu, langsam zu gehen und zu lächeln -er wollte wirken wie ein Mann, der sich angenehm high fühlt.
Bisher war es ihm lediglich gelungen, hier in Charlies Nähe zu bleiben und festzustellen, daß die nächste Straße die Bundesstraße 301 war und daß es sich um eine ziemlich ländliche egend handelte. Das war vor einer Woche gewesen. Der Stromausfall lag jetzt einen Monat zurück, und er wußte immer noch nicht mehr über diese Anlage, als er bei seinen Spaziergängen mit Pynchot hatte beobachten können. Hier unten in seinem Quartier wollte er niemanden gedanklich beeinflussen, denn der Große Bruder lag ständig auf der Lauer und hörte zu. Und auch
Weitere Kostenlose Bücher